Formen, Varianten und Materialien der wichtigsten Werkzeuge

Vor zirka 200.000 Jahren begann der Mensch, passend gewachsene und mit Faustkeilen bearbeitete Astabschnitte zu nutzen, um damit Knollen und Wurzeln auszugraben – der Grabstock war entstanden. Seitdem zieht sich das Bewegen von Erde, Sand und ähnlichen körnigen, pulvrigen und pastösen Stoffen durch die Riege sämtlicher Erfindungen bis zum heutigen Tag.
Kelle, Schaufel und Spaten gehören diesbezüglich zu denjenigen Werkzeugen mit der längsten Geschichte. Sobald der Mensch die Urformen der nötigen Techniken der Metallherstellung beherrschte, begann er damit, Eisen- und andere Metalle flach zu schmieden, um damit derartige Materialien bewegen zu können.
Aufgrund dieser sehr langen Geschichte konnten sich bei diesen Werkzeugen verschiedenste Formen herausprägen. Wobei im Gegensatz zu vielen anderen Gegenständen nichts davon lediglich einen zierenden Wert hat.

Die Kelle

Seit der Frühgeschichte schichtet der Mensch Steine aufeinander, um daraus Mauern und andere Bauwerke anzufertigen. Allerdings wurden dafür je nach Region über zigtausende Jahre ausschließlich lose aufeinandergeschichtete Steine genutzt.

Vor rund 14.000 Jahren jedoch, in der heutigen Ost-Türkei, nutzten unsere Vorfahren erstmalig einen Mörtel aus gebranntem Kalk – und somit eine Erfindung, welche die Menschheit revolutionierte.

Erstmalig gab es nun eine Möglichkeit, Steine durch einen mineralischen Stoff miteinander „zu verkleben“ und den daraus konstruierten Bauwerken eine zuvor völlig undenkbare Stabilität zu verleihen. Übrigens reicht deshalb die Geschichte des Zements und seiner Produkte deutlich weiter zurück als diejenige des Stahls. Der wurde erst ab zirka 2.000 Jahre vor der Zeitenwende hergestellt.

Doch wie so häufig in der Geschichte, zog eine Erfindung die Notwendigkeit einer weiteren nach sich, in diesem Fall die der Kelle:

  • Gebrannter (ungelöschter) Kalk ist stark ätzend. Er kann deshalb nicht mit blanker Haut berührt werden und zerstört längerfristig auch Holz(-Werkzeuge). Selbst gelöschter Kalk greift noch die Haut an.
  • Über lange Zeit hinweg war derartiger Kalkmörtel kostbar und selten. Er musste deshalb möglichst sparsam aufgetragen werden und Überschuss musste sich leicht abstreifen lassen.
  • Man erkannte bereits früh, dass die Steinverbindungen optimal werden, wenn der Mörtel vor Aufsetzen des Steins (grob) in zu einem Pyramidenstumpf geformt wird.

Anfangs wurden hierfür Werkzeuge aus Stein und Holz herangezogen. Als der Mensch jedoch allmählich die Metallbearbeitung erlernte, wurde daraus schnell die Kelle, wie wir sie heute kennen: Ein Werkzeug zum Aufnehmen, Auftragen, Formen und Glätten von pastösen Baustoffen.

Die ersten, die hierbei eine sehr große Kunst entwickelten, waren die Römer. Durch Funde ist bekannt, dass sie bereits alle relevanten Details ersonnen hatten:

  • Unterschiedlichste Formen des Kellenblatts, um es für die jeweilige Aufgabe zu optimieren.
  • Abmessungen, die denjenigen (damaliger) Maßeinheiten von Steinen entsprechen, damit eine Kelle voll Mörtel für einen Stein genügt.
  • Ein vom Griff abgesetztes Blatt, das über einen Schwanenhals verbunden wird, wodurch sich ein ergonomisch idealer Schwerpunkt ergibt – wichtig nicht zuletzt für Wiederholgenauigkeit beim Auftragen.

Geändert hat sich seitdem bis auf die Materialien und die Herstellungsmethoden nur wenig. Heutzutage bestehen (hochwertige) Kellen immer aus einem Stahl mit hoher Flexibilität. Profis bevorzugen häufig Kellen aus Edelstahl – wenngleich die große Diskussion über rostträge und rostende Stähle sich hier ebenfalls niederschlägt: Ob eine Maurerkelle schnell oder langsam rostet, ist deshalb für sich kein Qualitätsmerkmal.

Die heute wichtigsten Bezeichnungen und Formen:

Bezeichnung Blattform Aufgabenbereich
Arnheimer Maurerkelle sanft gerundetes Dreieck Mauern
Berliner Kelle grob gleichschenkliges Dreieck Mauern und Verputzen
Berliner Stecherkelle langgezogenes Rechteck Verputzen von Laibungen
Düsseldorfer Betonkelle spitzwinkliges, abgerundetes Dreieck Betonarbeiten
Glättkelle (Traufel) Rechteck, ggf. gezahnt, mittiger Griff Verputzen, Strukturieren
Hamburger Putzkelle spitzwinkliges Dreieck feine Putzarbeiten
Putzkelle (bekannteste Form) leicht trapezförmig Verputzen, teilweise Mauern

Insgesamt existieren im europäischen Raum gut zwei Dutzend verschiedene Varianten. Sie alle haben einen ganz konkreten Einsatzbereich, der durch die jeweilige Formgebung und Größe ideal angesprochen wird.

Häufig werden in der Praxis zudem zwei Kellen gleichzeitig verwendet. Etwa eine Glättkelle, auf deren Unterseite mithilfe einer Putzkelle eine Ladung Mörtel/Putz abgelegt und in Form gebracht wird, bevor der Arbeiter die Glättkelle über die Wand zieht.

Tatsächlich können Kellen sogar militärisch sein: Im 19. Jahrhundert führte das US-Militär ein sogenanntes Trowel Bayonet ein. Dabei handelt es sich der Form nach um eine Mischung aus Bajonett, Kelle, Spachtel und sogar Handschaufel.

Der Grundgedanke: So mussten Soldaten nur ein Werkzeug für verschiedene Aufgaben zwischen Nahkampf und Schanzarbeiten mitführen. Allerdings war das Trowel Bayonet in der Praxis zu vielfältig konstruiert – es konnte daher keine der geforderten Aufgaben wirklich zufriedenstellend erfüllen.

Übrigens: Der Unterschied zum Spachtel ist bei Kellen fließend. Bei ersterem ist das Blatt lediglich noch flexibler und der Griff ist meist linear am Blatt befestigt – nicht abgesetzt.

Die Schaufel

Durch ihre Flexibilität und die geringe Fläche haben Kellen nur einen sehr kleinen Arbeitsbereich, was das Bewegen von Massen anbelangt. Bei Erdreich werden Kellen sogar fast ausschließlich im Bereich archäologischer Ausgrabungen benutzt, weil hier die Möglichkeit zum sehr präzisen, vorsichtigen Arbeiten so wichtig ist.

Wenn es jedoch darum geht, größere Mengen an Erdreich, Sand, Kies und ähnlichen Schüttgütern unterschiedlicher Körnungen zu bewegen, dann ist die Schaufel zweifelsohne das wichtigste Handwerkszeug der Menschheit.

Zwar stand die bereits erwähnte Grabgabel Pate für verschiedenste Werkzeuge. Bei der Schaufel ist jedoch die Entwicklungslinie diejenige, die am dichtesten am urzeitlichen Vorbild liegt. Die ersten Schaufeln waren vorne flach geformte Grabstöcke. Später wurden deren Kanten mit Metall für eine größere Langlebigkeit verstärkt. Erst, als der Mensch insbesondere Eisenmetalle in größerer Menge kostengünstig herstellen konnte, wurde die Schaufel ein (bis auf den Stiel) Ganzmetallwerkzeug.

Bezeichnung Blattform Aufgabenbereich
Bayerische Schaufel Dreieck mit abgerundeten Flanken, vorn spitz zulaufend, flaches Blatt verdichtetes, insbesondere steiniges Erdreich
Emsländer Schaufel Rechteck, vorn sanft abgerundet, gewölbtes Blatt mit gebördelten, verstärkten Rändern nasse Böden sowie lockere Materialien
Frankfurter Schaufel herzförmig, vorn stärker abgerundet, leicht gewölbtes Blatt verdichtetes, insbesondere steiniges Erdreich
Holländer Schaufel wie die Emsländer Schaufel, jedoch ohne Bördelung nasse Böden sowie lockere Materialien
Holsteiner Schaufel rechteckig mit gerader Vorderkante, leicht gewölbtes Blatt loses Erdreich sowie andere lockere Materialien
Spatenschaufel herzförmig mit vorn recht spitzem, leicht gewölbtem Blatt, vom Stiel abgesetzt verdichtetes, verkrautetes Erdreich

Ein Detail, das sämtliche Schaufeln auszeichnet, ist ihr Winkel zum Stiel: Da diese Werkzeuge vornehmlich für das Aufnehmen und Transportieren gedacht sind, liegen Blatt und Stiel immer in einem gewissen Winkel zueinander – mit der Spatenschaufel als eine der wenigen prominenten Ausnahmen von dieser Regel.

Maßgeblich ist nicht nur die Form, sondern die Größe des Blattes. Ganz grob lässt sich sagen: Je größer das Schaufelblatt, desto leichter muss das Gewicht der damit bewegten Massen sein.

Neben der äußeren Blattform und -Größe spiegelt auch die interne Formgebung eine wichtige Rolle: Je stärker das Blatt durch Sicken und Bördelungen versteift ist, desto festere, schwerere Güter lassen sich damit bewegen.

Um beispielsweise eine Mischmaschine mit Sand zu bestücken, wäre eine Holsteiner Schaufel ideal. Soll jedoch gröberer Kies bewegt werden, wäre etwa die Frankfurter Schaufel die deutlich bessere Wahl, da ihre Spitze besser zwischen die Steine gleitet, ohne zu verhaken.

Diese beiden Schaufeln waren und sind auf vielen europäischen Baustellen die wichtigsten Vertreter ihrer Gattung.

Was die verwendeten Stähle anbelangt, so ist hier ein günstiger Preis bei hoher Robustheit das Maß aller Dinge. Meist werden deshalb gering- oder unlegierte Baustähle wie beispielsweise C45 herangezogen – hohe Festigkeit und Zähigkeit durch maximal 0,50 Prozent Kohlenstoff und 0,80 Prozent Mangan. Nur bei wenigen Schaufeln werden härtbare Stähle genutzt.

Der Spaten

Wo endet die Schaufel, wo beginnt der Spaten? Eine Frage, die nicht ganz einfach zu beantworten ist. Prinzipiell handelt es sich bei jeder Form des Spatens um eine Untergattung der Schaufeln – zu sehen nicht zuletzt an der erwähnten Spatenschaufel. Tatsächlich gibt es deshalb nur einige wenige Merkmale, die einen Spaten von der Schaufel abheben:

  • Der Spaten ist immer ein Grabwerkzeug zum Einsatz in mehr oder weniger stark verdichteten Böden.
  • Das Hauptaugenmerk liegt in einem leichten, nahezu senkrechten Eindringen in das Erdreich zwecks Lockerung. Weniger darin, es möglichst ergonomisch zu bewegen.
  • Der Winkel zwischen Blatt und Stiel ist sehr groß, bei manchen Spaten ist er sogar nicht existent- Aus diesem Grund lassen sich die meisten Spaten nur schlecht zum Schaufeln verwenden.
  • Um das Eindringen ins Erdreich zu erleichtern, ist das Blatt auf der Rückseite meistens gerade und durch Bördelung oder aufgesetzte Eisenstücke anderweitig verbreitert, damit hier ein Fuß aufgesetzt werden kann.
  • Das Ende des Stiels ist aufgrund der nötigen Körperhaltung beim Arbeiten fast immer D- oder T-förmig gehalten – die Hand umgreift das Stielende, wodurch sich eine scharnierartige Verbindung ergibt.
  • Das Blatt ist typischerweise deutlich dicker als dasjenige von Schaufeln und praktisch immer aus einem gut härtbaren Stahl. Damit kann die Vorderkante angeschliffen werden und diese Schärfe hält trotz Dauerkontakt zum abrasiven Erdreich möglichst lange.

Unter Einbeziehung dieser Faktoren besteht der maßgebliche Unterschied zwischen sämtlichen Spatenbauformen nur in der Blattgröße sowie der Formgebung der Vorderkante. Diese existiert sowohl völlig gerade (wie bei der Holsteiner Schaufel) als auch abgerundet oder pfeilspitzenartig zulaufend

Der Sonderfall: Feld- und Klappspaten

Die Geschichte der Erdbewegungswerkzeuge lässt sich nicht erzählen, ohne auf die militärische Nutzung einzugehen: Schon seit der Mensch Bogen und ähnliche Distanzwaffen nutzte, war es notwendig, Wälle und Gräben anzufertigen, um die Waffenwirkung zu reduzieren und/oder die Beweglichkeit eines Angreifers zu hemmen.

Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts modernes, rauchloses Schießpulver das zuvor verwendete Schwarzpulver ablöste und die Kriegführung immer mobiler wurde, hatte dies auch Auswirkungen auf die militärische Erdbewegung.

Hatten zuvor nur spezielle Pioniertruppen überhaupt Spaten und Schaufeln genutzt, war es nun notwendig geworden, jedem Soldaten eine Möglichkeit zu geben, sich schnellstmöglich Deckung zu verschaffen.

Maßgeblich hierfür war der dänische Offizier Mads Linnemann. Er entwickelte 1870 einen Feldspaten, der zum Prototypen für alle nachfolgenden Modelle bis heute wurde:

  • Eine Gesamtlänge von 50 Zentimetern bei einer Spatenblattbreite von 15 Zentimetern. Einerseits war das Werkzeug dadurch ausnehmend kompakt, andererseits diente es durch die bekannten Maße als simples Messwerkzeug.
  • Ein leicht gewölbtes Blatt, dadurch trotz der geringen Maße vergleichsweise gute „Schaufeleigenschaften“.
  • Eine gerade Vorderkante mit abgerundeten Ecken – Nachbauten teilweise mit spitzer Kante.

Nahezu sämtliche europäischen Armeen führten diesen Spaten (siehe erstes Bild dieses Kapitels) rasch ein – wenngleich nur das zaristische Russland dies mit offizieller Lizenz tat; alle anderen Nationen kopierten das Modell Linnemann schlicht.

Die heutige russische Armee ist die letzte, die nach wie vor auf einen Feldspaten setzt, der in direkter Linie auf diesen Urtyp zurückgeht – mit geringsten Änderungen.

Die meisten anderen Armeen setzen indes seit zirka dem Zweiten Weltkrieg auf klapp- und faltbare Modelle. Ihre Eigenschaften:

  • Das Blatt lässt sich in einem 180-Grad-Winkel umklappen und meist im 90-Grad-Winkel arretieren. Dadurch kann das Werkzeug als Hacke genutzt werden und es ist entweder eine kompaktere Gesamtlänge oder ein längerer Stiel bei gleichbleibender (gefalteter) Gesamtlänge möglich. Somit ergibt sich ein längerer Hebelarm und eine bessere Ergonomie.
  • Durch die Klappfähigkeit entsteht jedoch eine Schwachstelle in Form dieses Scharniers. Klappspaten sind deshalb nicht so robust wie der feststehende Feldspaten.

Die meisten westlichen Armeen setzen mittlerweile auf baugleiche Ganzmetallmodelle. Bei diesen ist der eigentliche Stiel nur ein kurzes Rohr-Mittelstück. Der einem langgezogenen D ähnelnde Griff lässt sich ebenso umklappen wie das Spatenblatt. Dieses Werkzeug lässt sich deshalb auf eine Größe zusammenfalten, die im Bereich eines DIN-A4-Blattes liegt.

Übrigens: Zwar mögen die Wurzeln derartiger Spaten absolut militärisch sein. Durch ihre Vielseitigkeit und Kompaktheit sind sie allerdings seit Jahren ebenso unverzichtbare Helfer für Gärtner, Camper und andere Outdoor-Freunde.

Bildquellen:
Bild 1: stock.adobe.com © xy
Bild 2: stock.adobe.com © Clara Dinand
Bild 3: stock.adobe.com © Hoda Bogdan
Bild 4: stock.adobe.com © evelyna636
Bild 5: stock.adobe.com © Hoda Bogdan
Bild 6: stock.adobe.com © Georgy Dzyura
Bild 7: stock.adobe.com © alexsid
Bild 8: stock.adobe.com © dyoma