Herausforderungen und Lösungsansätze

In der globalisierten Weltwirtschaft von heute sind die Lieferketten komplexer denn je – und damit auch empfindlicher für Störungen unterschiedlicher Art. Bewiesen haben dies zuletzt etwa die Corona-Pandemie, der Handelskrieg zwischen den USA und China sowie der im Suezkanal stecken gebliebene Evergreen-Frachter.

Da Lieferketten meist durch externe Faktoren unterbrochen werden, ist es schwierig, Störungen zu vermeiden. Umso wichtiger und herausfordernder ist es für Unternehmen, ausreichend vorbereitet zu sein und präventive Maßnahmen zu setzen. Denn es gibt durchaus Möglichkeiten, das Eintrittsrisiko und die Auswirkungen von Lieferkettenunterbrechungen zu minimieren.

Lieferketten und Störungen

Lieferketten bestehen immer aus mehreren Stufen. Sie beginnen bei der Rohstoffbeschaffung und enden mit der Übergabe eines finalen Produkts an den Endabnehmer. Teil der Lieferkette sind dabei alle Akteure (und Aktivitäten), die mit der Beschaffung, Konversion und Logistik eines Produkts in Verbindung stehen, wie zum Beispiel

  • Hersteller,
  • Lieferanten und Vorlieferanten,
  • Logistik- und Transportunternehmen sowie
  • Distributoren wie Groß- und Einzelhändler.

Beispiel Automobilbranche

Automobilhersteller sind auf eine Vielzahl von Lieferanten und Zulieferern angewiesen, um ihre Versorgung mit Bauteilen wie Schrauben, Dichtungen, Blechen, Karosserien und Elektronikteilen zu sichern.

Jeder dieser Lieferanten benötigts selbst wiederum die Rohstoffe und Waren seiner (Vor-)Lieferanten. Dieses Schema setzt sich fort, bis die Kette mit dem Abbau von Rohstoffen wie Lithium, Eisen, Aluminium und Co ein Ende erreicht.

Auf der anderen Seite der Lieferkette stehen zum Beispiel Distributoren: Groß- und Einzelhändler, die den Automobilherstellern die fertiggestellten Fahrzeuge abnehmen, um sie anschließend selbst an andere Händler oder Endkunden zu verkaufen.

Gerät eine Lieferkette nun an einem bestimmten Punkt ins Stocken, droht den nachfolgenden Betrieben der Kette ein Engpass. Und das ist keine Seltenheit: Laut einer Studie des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) verzeichnet fast jedes zweite Unternehmen von bis zu fünf Lieferkettenstörungen pro Jahr, jeder vierte Betrieb sogar sechs oder mehr.

Ursachen für Störungen von Lieferketten

Die möglichen Ursachen für Lieferkettenunterbrechung sind vielfältig. Dabei kann es sich sowohl um unvorhersehbare als auch kalkulierbare (z. B. saisonale) Ereignisse handeln. In manchen Fällen sind die Störungen sogar geplant, zum Beispiel politisch motiviert. Hier einige Beispiele:

  • Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche
  • politische Ereignisse wie Handelskriege, Embargos, Gesetzesänderungen
  • Epidemien und Pandemien wie Covid-19 und Ebola
  • technologische Ursprünge wie Cyber-Angriffe und Serverabstürze
  • Streiks auf lokaler, nationaler oder internationaler Ebene
  • Betriebsunfälle und -Unglücke wie Brände und Explosionen
  • Finanzprobleme bei Lieferanten und Vorlieferanten

Lieferkettenunterbrechungen wie durch Covid-19 sind durch ihr gewaltiges internationales Ausmaß und das große Medieninteresse zuletzt stark in den Vordergrund gerückt. Allgemein sind jedoch Naturkatastrophen, Unfälle an Fertigungsstandorten sowie finanzielle Probleme bei Lieferanten viel häufigere Störfaktoren.

Im Fokus: Lieferkettenstörungen in der Metallbranche

Die Metallbranche steht aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Lieferschwierigkeiten besonders stark unter Druck. Unter anderem mangelt es an wichtigen Roh- und Werkstoffen wie Stahl, Kupfer und Aluminium – und somit der Wirtschaft auch an zahlreichen Gütern, die aus diesen Metallen gefertigt werden.

Unterbrechungen an kritischen Punkten

Die Auswirkungen der Pandemie haben die Lieferketten der Metallbranche an mehreren Stellen empfindlich getroffen. Einerseits wurden die Produktionskapazitäten weltweit gedrosselt. In vielen Betriebe kamen zu Produktionsstopps. Andere Unternehmen schlitterten gar in die Insolvenz.

Andererseits bremsen Lockdowns und Grenzschließungen den internationalen Warenverkehr. Wiederholt wurden zentrale Transportwege gekappt und wichtige Knotenpunkte wie Frachthäfen stillgelegt.

Ein prominentes Beispiel ist etwa der Hafen von Ningbo, der drittgrößte Frachthafen Chinas. Als im August 2021 bei einem Mitarbeiter eine Covid-19-Infektion festgestellt wurde, verordnete Peking für rund 1.000 Mitarbeitern des Hafens eine Quarantäne.

Lieferschwierigkeiten in der gesamten Branche

Wie schwerwiegend die Lieferketten gestört sind, verdeutlicht eine Umfrage des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Den Ergebnissen zufolge sind 96 Prozent der Unternehmen von Lieferschwierigkeiten betroffen. Fast die Hälfte davon beklagt sogar schwere Beeinträchtigungen.

Den Befragten zufolge fehle es sowohl an Rohstoffen als auch Vorprodukten. In der Praxis führe dies dazu, dass sich Lieferung verspäten oder ausfallen und die Waren nur in geringerer Quantität und Qualität lieferbar sind. Zugleich schlage sich der Engpass in einem enormen Preisanstieg im Einkauf nieder.

Beispiel Stahlpreis

Im Jahr 2021 erlebten die Stahlpreise ein Höhenflug. Während der Preis für Warmband zu Jahresbeginn bei 661 Euro pro Tonne lag, kletterte dieser im Sommer, als die Lieferengpässe sich zuspitzten, auf rund 1.200 Euro.

Die konkreten Ursachen und Folgen

Als Hauptursachen für die Liefer- und Materialengpässe nannten die Befragten allen voran folgende vier Faktoren:

  • fehlende Produktion bei Lieferanten (85 %)
  • Transportprobleme nach Europa (59 %)
  • Transportprobleme innerhalb Europas (20 %)
  • Ein- und Ausfuhrbeschränkungen (15 %)

Die Konsequenzen sind weitreichend. Nahezu jeder zweite Betrieb sieht sich gezwungen, seine Produktion einzuschränken. Damit verbunden sind auch weitere Auswirkungen wie Kurzarbeit, Beschäftigungsabbau und Erhöhungen der eigenen Verkaufspreise.

Mit Supply-Chain-Management Störungen vermeiden

In Ausnahmesituationen wie einer globalen Pandemie, die ganze Branchen und Gesellschaften nahezu zum Stillstand zwingen, sind Lieferkettenunterbrechungen kaum zu verhindern. Dennoch kann Schadensbegrenzung betrieben werden – auch auf individualwirtschaftlicher Ebene.

Viele Unternehmen machen den Fehler, erst zu handeln, wenn bereits eine Lieferkettenunterbrechung eingetreten oder akut abzusehen ist. Oft ist es dann allerdings bereits zu spät, um Engpässe und finanzielle Schäden abzuwenden. Konkret heißt das: Eine stabile Lieferkette bedingt präventive Maßnahmen.

Wichtig dabei ist, nicht nur auf die betriebsinterne Logistik zu achten, sondern den Blick zu weiten und diesen auf die gesamte Lieferkette zu richten. Stichwort: Supply-Chain-Management. Nur dann ist es möglich, Risiken möglichst zeitnah zu erkennen und angemessen zu reagieren.

Logistik vs. Supply-Chain-Management

Die Logistik beschäftigt sich mit den Informations- und Güterflüssen innerhalb des eigenen Betriebs. Dazu zählen beispielsweise alle Abläufe rund um den Transport und die Lagerung von Waren innerhalb des Unternehmens sowie auch im Rahmen von Ein- und Verkäufen.

Das Supply-Chain-Management geht einen Schritt weiter. Die Logistik ist dabei nur ein Teilbereich. Darüber hinaus plant und steuert das Supply-Chain-Management Prozesse entlang der (unternehmensübergreifenden) Wertschöpfungs- und Lieferkette – von den Zulieferern bis hin zu den Endkunden. Dabei geht es auch immer darum, Schwachstellen und Verbesserungspotentiale innerhalb der Lieferketten zu erkennen.

Lieferketten optimieren: Lösungsansätze und Beispiele

Den Lieferantenstamm erweitern
Insbesondere Unternehmen, die bestimmte Rohstoffe und Vorprodukte von nur einem einzigen Lieferanten beziehen, sind einem hohen Risiko ausgesetzt, einen Lieferengpass zu erleiden. Besser ist daher, auf mehrere Lieferanten parallel zu setzen.
Je größer der Lieferantenstamm ist, desto weniger drastisch sind die Folgen, wenn eine einzelne Bezugsquelle versiegt. Im Einkauf ist dadurch zwar durchaus mit höheren Kosten zu rechnen. Rentabel ist dieses Vorgehen aber dennoch. Denn Produktionsstopps und -einschränkungen sind in den meisten Fällen teurer.

Die Lieferanten kritisch bewerten
Ein breites Lieferantenportfolio allein reicht noch nicht aus, um Unterbrechungen und Lieferschwierigkeiten nachhaltig zu verringern. Es ist beispielsweise unerlässlich, regelmäßig einen prüfenden Blick auf das eigene Lieferantenumfeld zu werfen.
Dabei sollten die einzelnen Lieferanten gründlich bewertet und miteinander verglichen werden. Das Augenmerk richtet sich dabei auf Kriterien wie Qualität und Performance, Compliance-Anforderungen sowie Finanzzahlen und Bonitäten.

Die Vorlieferanten berücksichtigen
Die meisten Lieferkettenunterbrechungen gehen zwar von direkten Lieferanten aus, doch auch die Vorlieferanten sind oft Ursache von Lieferschwierigkeiten. So wird beispielsweise das sogenannte „Diamond Risk“ häufig unterschätzt.
Dabei handelt es sich um das Risiko, dass mehrere der eigenen (direkten) Lieferanten vom selben Vorlieferant Güter beziehen. Fällt der Vorlieferant aus, sind davon also gleich mehrere direkte Lieferanten betroffen und keine Ausweichmöglichkeiten gegeben.

Die Infrastruktur überwachen
Auch von Versorgungswegen und ‑strukturen gehen Risiken aus. Beispiele sind etwa kritische Logistikzentren wie Häfen, Flughäfen, Lager und Engpassregionen, ebenso aber die eigenen Produktionsstätten sowie Distributionszentren.

Den Informationsaustausch verbessern und digitalisieren
Je früher erkannt wird, dass ein Lieferant oder Vorlieferant in Lieferschwierigkeiten gerät, desto früher kann angemessen reagiert und der Schaden begrenzt werden. Eine Möglichkeit besteht darin, automatisierte Überwachungssysteme einzusetzen, die die wesentlichen Daten sammeln und Probleme in der tieferliegenden Lieferkette umgehend melden.

Schadensausmaße und Risiken bewerten
Nach einem Engpass ist es immer wichtig, Bilanz über das Schadensausmaß und die Ursachen zu ziehen:

  • Wie häufig entstehen Lieferkettenstörungen durch den jeweiligen Lieferanten?
  • Wie hoch ist das Schadensausmaß?

Fragen wie diese helfen dabei, den Einfluss einzelner Lieferanten auf den eigenen Betrieb zu bemessen, Abhängigkeiten zu erkennen und die damit verbundenen Risiken zu bewerten.

Cyber-Risiken minimieren
In den vergangenen Jahren hat die Anzahl der Cyber-Angriffe auf Unternehmen stark zugenommen. Immer häufiger stehen dabei ganze Lieferketten im Visier. Verfügt das eigene Unternehmen über hohe IT-Sicherheitsstandards, nicht aber die Lieferanten, besteht also immer noch ein hohes Cyber-Risiko.
Insbesondere wenn mehrere Unternehmen durch eine gemeinsam genutzte Software digital vernetzt sind, sollte sichergestellt werden, dass alle beteiligten Unternehmen für den Fall eines Angriffs gerüstet sind. Denn das Schwächste Glied in der Kette stellt oft das Einfallstor für Cyber-Kriminelle dar.

Maßnahmenpläne für den Notfall definieren
Lieferkettenstörungen vollkommen auszuschließen ist unmöglich. Gerade deswegen ist es ratsam, für den Ernstfall einen Maßnahmenplan zu erstellen. Tritt eine Störung in der Lieferkette auf, liefert dieser im Idealfall alle nötigen Arbeitsabläufe. Das spart Zeit und ermöglicht eine schnelle Reaktion. Bei der Planung sollten möglichst viele Szenarien berücksichtigt werden: verschiedene Gefährdungen der Lieferketten, Eintrittswahrscheinlichkeiten sowie unterschiedlich hohe Schadensausmaße.

Quellen

Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik/riskmethods (2020): Supply Chain Risk Management: Herausforderungen und Status Quo 2020
https://www.riskmethods.net/media/Content/Whitepapers/de/bme-umfrage-scrm-2020.pdf

Datensicherheit.de (2021): Supply Chain: Angriffe als IT-Security Trend 2021
https://www.datensicherheit.de/supply-chain-angriffe-it-security-trend-2021

Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie (2021): Ergebnisse der Umfrage für die Metall- und Elektro-Industrie. Auswirkungen der aktuellen Versorgungs- und Lieferkettenprobleme
https://www.gesamtmetall.de/sites/default/files/downloads/gm_umfrage_lieferengpaesse.pdf

Stahlpreise.eu (2021): Wie entwickelt sich der deutsche Stahlmarkt 2022?
https://www.stahlpreise.eu/2021/12/wie-entwickelt-sich-der-deutsche-stahlmarkt-2022.html

Logistik-studieren.de (o. D.): Logistik oder Supply Chain Management?
https://www.logistik-studieren.de/infos/logistik-oder-supply-chain-management/#logistik

Bildquellen

Bild 1: Adobe Stock © Mongkolchon
Bild 2: Adobe Stock © semenenkostas
Bild 3: Adobe Stock © kamonrat
Bild 4: Adobe Stock © Kara