Starke Verbände (nicht nur) in der Montanindustrie

Gerade in der Montanindustrie, also speziell in den Bereichen Bergbau und Metallherstellung, sowie -be- und -verarbeitung, spielen Gewerkschaften bis zum heutigen Tag eine wichtige Rolle, die sich bis in die Anfänge der Industrialisierung zurückverfolgen lässt. Zudem stehen diese Arbeitnehmervertretungen für den Wandel hin zu einem sozialeren Miteinander in der Gesellschaft.

Die Entstehung der Interessenvertretungen für Arbeitnehmer

Gewerkschaften treten häufig dann in Erscheinung, wenn diese in Tarifverhandlungen treten oder Warnstreiks organisiert werden. Um zu erklären, was die Aufgaben von Gewerkschaften sind und warum sie existieren, ist es nötig, einen Blick auf das generelle Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis in Ländern zu werfen, in denen freie Marktwirtschaft herrscht:

  • Arbeitgeber: Sie sind die Besitzer von Unternehmen, Minen etc. Einerseits benötigen sie die Arbeiter. Andererseits können sie jedoch durch die Besitzverhältnisse die Konditionen bestimmen, zu denen gearbeitet wird. Ferner tragen sie durch zahlreiche Unternehmenssteuern einen erheblichen Anteil an der finanziellen Handlungsfähigkeit eines Staates – und sind überdies wichtig, weil nur beschäftigte Arbeitnehmer Nettosteuerzahler sein können.
  • Arbeitnehmer: Sie können nur ihre Arbeitskraft und beruflichen Fähigkeiten verkaufen, weil sie keine eigenen Produktionsmittel besitzen. Durch diese Position müssen sie sich in der Regel den Konditionen der Arbeitgeber unterordnen. Da diese Gruppe kopfstärker als die der Arbeitgeber ist, ist es für sie deutlich schwieriger, als gemeinsam agierende Gruppe gegenüber den Arbeitgebern aufzutreten, um selbst Arbeitsbedingungen auszuhandeln.

Noch bis weit in die zweite Hälfte der 1800er hinein besaßen die Arbeitgeber große Freiheiten bei der Gestaltung der entsprechenden Arbeitsbedingungen. Arbeitnehmer mussten sich diesen beugen oder waren arbeitslos. Staatliche Gesetze für den Arbeitnehmerschutz gab es praktisch noch nicht.

65 bis 80 Wochenstunden Arbeitszeit waren zwischen zirka 1830 und 1860 die Regel. Im gleichen Zeitraum betrug der Tagelohn für hiesige männliche Industriearbeiter 10 bis 35 Silbergroschen. Zum Vergleich: Arbeiter im landwirtschaftlichen Bereich bekamen damals 18 Silbergroschen bei freier Kost und Logis.

Ferner waren die Städte, wo sich Industriebetriebe damals ansiedelten, von extremer Wohnraumknappheit betroffen. Grundsätzlich brachten die üblichen Arbeitsbedingungen zahlreiche negative Folgen mit sich:

  • lange, anstrengende und oft lebensgefährliche Arbeitsbedingungen
  • kaum gesetzlicher Arbeiterschutz
  • trotz mitunter guter Löhne keine Möglichkeit zum Vermögensaufbau
  • keine Gesundheits- und Altersvorsorge
  • ein schlechtes, zum Teil Slum-artiges Lebensumfeld

Einzelne Industrielle entschieden sich jedoch schon früh für bessere Voraussetzungen und waren um das Wohl ihrer Belegschaft bemüht. Etwa Robert Bosch („Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle“). Im Ruhrgebiet errichteten viele Betriebe eigene Wohnsiedlungen. In diesen „Zechenhäusern“ konnten die Arbeiter tatsächlich für damalige Verhältnisse komfortabel leben – jedoch nur, solange sie beschäftigt waren.

Unter dem Strich waren es jedoch Zeiten einer extremen Schieflage der Verhältnisse. Daraus entwickelte sich der Wunsch, sich zu organisieren, wobei die Metallarbeiter neben denen anderer Industrien eine wichtige Vorreiterrolle einnahmen. Zunächst bildeten sich ab den 1830ern die ersten „Arbeitervereine“. Im Nachgang der Revolution 1848/1849 entstanden daraus Gewerkschaften, die auch überregional tätig wurden und einzelne Branchen abbildeten.

Die Aufgaben der Gewerkschaften

Die Gewerkschaft ist eine gemeinsame Interessenvertretung der Arbeitnehmer einer Branche gegenüber den Arbeitgebern (und dem Staat). Sie handelt also an ihrer statt. Als Ergebnis der Arbeiterbewegungen übernehmen die Vereinigungen bis heute verschiedene Aufgaben:

  1. Die Hauptaufgabe der Gewerkschaft besteht darin, für die Arbeiter vorteilhafte Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Primär zählen dazu faire Löhne und Arbeitszeiten. Dies umfasst aber auch eine ganze Reihe anderer Punkte wie etwa Mitbestimmungsrechte, Arbeitsplatzsicherheit, Urlaubstage etc.
  2. Die Gewerkschaft ist unabhängig von den Interessen der Arbeitgeber und ausschließlich den Arbeitnehmern verpflichtet. Dazu werden die Gewerkschaftsvertreter in regelmäßigen Wahlen nur von den Arbeitern bestimmt.
  3. In regelmäßigen Verhandlungen werden mit den Arbeitgebern (respektive deren Branchenverbänden) neue Details ausgehandelt. Diese Tarifverträge sind für beide Seiten bindend und bevorteilen sogar jene Arbeitnehmer, die keine Gewerkschaftsmitglieder sind.

Wird in Verhandlungen keine Einigung erzielt, haben Gewerkschaften die Möglichkeit, die Forderungen über einen (Warn-)Streik durchzusetzen oder dadurch weitere Gesprächsrunden zu erwirken. Hier zeigen Gewerkschaften ihre Stärke: Sie selbst können ihren Mitgliedern im Falle eines Streiks und dem Ausfall des Lohns einen finanziellen Ausgleich aus den Streikkassen zu zahlen. Dem entgegen stehen die Betriebe, die stillstehen und dadurch keinerlei Einnahmen haben.

Historisch betrachtet ist es hauptsächlich den Gewerkschaften zu verdanken, dass heute nicht nur allgemein Arbeitsbedingungen wie die Fünf-Tage-Woche, Streikrechte oder ein Verbot von Kinderarbeit üblich sind, sondern überdies eine Menge weiterer Arbeitnehmerschutzgesetze entstanden sind. Diese gehen letztlich auf den Druck zurück, den Arbeitnehmervertretungen immer wieder auch auf die Politik ausübten.

Die wichtigsten Errungenschaften von Gewerkschaften

Vor allem im 19. Jahrhundert fürchteten sich viele Politiker vor dem Druck der organisierten Arbeitnehmer. Die Angst war groß, dass sich aus den aufkeimenden Widerständen unzufriedener Arbeitgeber größere Protestbewegungen entwickeln könnten. Diese wären auch für die oft noch herrschenden monarchistischen Verhältnisse eine Bedrohung.

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Die sogenannte Kaiserliche Botschaft war 1881 etwa ein Programm, das den Grundstein für die Entstehung der deutschen Sozialversicherung legte. An Ihrer Entstehung hatte die Arbeitnehmerbewegung mit den ersten Gewerkschaften einen entscheidenden Anteil.

Nahezu alles, was in der modernen Arbeitswelt in Deutschland selbstverständlich geworden ist, geht auf die Bemühungen der Gewerkschaften zurück:

  • Fünf-Tage-Woche
  • 40-Stunden-Woche und Acht-Stunden-Arbeitstag
  • bezahlte Urlaubs- und Krankheitstage
  • rechtlich verbrieftes Mitbestimmungsrecht in Unternehmen
  • Kündigungsschutz
  • Mindestlohn
  • soziale Sicherungssysteme

Die Gewerkschaften der Montanindustrie hatten im Laufe der Jahre dabei stets eine besondere Position inne. Grund dafür war und ist bis heute nicht zuletzt die hohe Anzahl an Arbeitnehmern in dazugehörigen Berufen.

Die IG Metall: Die Arbeitnehmervertretung der Metallbranche

Die wichtigsten Fakten:

  • gegründet am September 1949 aus Verbänden der Metallarbeiter
  • erste zugehörige Berufsgruppen: Maschinisten, Heizer sowie Kupferschmiede
  • heute durch weitere Gewerkschaftsbeitritte zuständig für Metall, Elektro, Textil, Bekleidung, Holz, Kunststoff sowie die IT-Branche
  • etwa 2,2 Millionen Mitglieder (Stand Ende 2021)
  • rund 150 Geschäftsstellen deutschlandweit
  • Sitz in Frankfurt / Main

Die „Industriegewerkschaft Metall“ (IGM) ist nicht nur die größte Gewerkschaft der Bundesrepublik und der Welt. Sie ist zudem die maßgebliche Vertretung für jeden, dessen Arbeit mit Metall zu tun hat – und weit darüber hinaus. Die Wurzeln liegen bei den ersten deutschen Gewerkschaften – einerseits die 1868 gegründete „Allgemeine Deutsche vereinigte Metallarbeitergewerkschaft“ und zum anderen den 1891 gegründeten „Allgemeiner deutscher Metallarbeiterverband“ (DMV).

Nachdem die Nationalsozialisten den DVM (wie alle anderen Gewerkschaften) schon 1933 zerschlagen hatten, gab es nach Kriegsende zunächst keine Vertretung für Metallberufe. Erst, nachdem die Bundesrepublik als selbstständiger Staat 1949 gegründet wurde, war der Weg frei für eine Neuordnung.

Nach der Wende ging 1991 die (DDR-) „Industriegewerkschaft Metall“ in der IGM auf. 1998 wurde die „Gewerkschaft Textil-Bekleidung“ aufgenommen. 2000 erfolgte die bislang jüngste Eingliederung in Form der „Gewerkschaft Holz und Kunststoff“.

Obwohl die IG Metall „Nur“ 2,2 Millionen Mitglieder hat, repräsentiert sie Wirtschaftsbereiche, die zusammen über 3,5 Millionen Arbeitnehmer umfassen. Zu den wichtigsten Erfolgen der IG-Metall gehört unter anderem die 40-Stunden-Woche, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie sechs Wochen Urlaub in tarifgebundenen Unternehmen.

Die Christliche Gewerkschaft Metall

Die wichtigsten Fakten:

  • gegründet 1899, aktueller Name seit 1991
  • heute zuständig für Metall, Elektro, Karosserie- und Fahrzeugbau, Land- und Baumaschinen, Sanitär, Heizung und Klima
  • etwa 000 Mitglieder (eigene Angabe von 2005, keine aktuelleren Zahlen verfügbar)
  • zwölf Geschäftsstellen deutschlandweit
  • Sitz in Stuttgart

Die ersten Gewerkschaften vertraten sozialistische Ideale und standen organisierter Religion (aufgrund deren damaliger, geradezu staatstragender Rolle) eher feindselig gegenüber. Viele christliche Arbeiter standen deshalb vor dem Zwiespalt, sich nicht organisieren zu können, ohne mit ihrem Glaubensbekenntnis zu kollidieren – oder umgekehrt.

Ende der 1800er Jahre entstanden deshalb verschiedene eindeutig christlich geprägte Gewerkschaften – teils explizit katholisch, teils evangelisch, teils konfessionsübergreifend. Eine davon war der 1899 gegründete „Christlicher Arbeitnehmerverband“ (CMV).

Nachdem dieser Verband ebenfalls durch die Nationalsozialisten zerschlagen wurde, erfolgte jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg keine Neugründung. Damals wollten die Alliierten lediglich Einheitsgewerkschaften zulassen, um Deutschlands Wirtschaft zu stärken.

Nachdem es in diesen Gewerkschaften jedoch bereits in den 1950ern zu Richtungsstreits gekommen war, spalteten sich erneut christliche Mitglieder ab und gründeten eigene Vertretungen – darunter ein neuer CMV. Dieser benannte sich 1991 in „Christliche Gewerkschaft Metall“ (CGM) um.

Die IG Bergbau, Chemie, Energie

Die wichtigsten Fakten:

  • gegründet 1889, in der heutigen Form 1997 gegründet
  • heute zuständig für Bergbau, Chemie, Gas, Glas, Kautschuk, Keramik, Kunststoffe (wie IG Metall), Leder, Öl, Papier, Pharmazeutika und Wasser
  • etwa 000 Mitglieder (Stand Ende 2020)
  • 42 regionale Bezirke
  • Sitz in Hannover

Neben der Metallherstellung und -bearbeitung gehörte der Bergbau ebenfalls zu den Branchen mit einer enormen Bedeutung für die Industrialisierung und einer großen Zahl an Arbeitsplätzen. Aufgrund der räumlichen Verteilung der Bodenschätze wundert es kaum, dass sich die ersten deutschen Bergarbeitervertretungen vor allem im Westen bildeten: 1889 wurde der „Verband zur Förderung und Wahrung bergmännischer Interessen in Rheinland und Westfalen“ gegründet.

Nach mehreren Umbenennungen wurde er bereits 1890 zum „Verband Deutscher Bergleute“ und somit zu einer das gesamte Deutsche Reich umfassenden Arbeitervertretung. Als „Verband der Bergbauindustriearbeiter Deutschlands“ existierte er so bis zur Auflösung durch die Nationalsozialisten.

Bereits 1946 erfolgte die Neugründung auf westdeutschem Gebiet in Form des „Industrieverband Bergbau“. Zunächst war er nur für die britische Besatzungszone zuständig (zu der das Ruhrgebiet gehörte). Ab 1949 wurden die Tätigkeiten auf die französische Besatzungszone, und somit die Kohlereviere an der Saar, ausgedehnt.

Ab 1960 firmierte die Vertretung als „Industriegewerkschaft Bergbau und Energie“. Sie wurde 1990 durch die ostdeutschen Gewerkschaften „Wismut“ sowie „Bergbau-Energie-Wasserwirtschaft“ ergänzt. 1997 erfolgte ein Zusammenschluss mit der „Industriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik“ und der „Gewerkschaft Leder“. Dadurch wurde der alte Name aufgegeben und es entstand die „Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie“ (IGBCE).

Sie ist heute die drittgrößte Gewerkschaft Deutschlands. 1959 war ihre Vorläuferorganisation für die Einführung der Fünf-Tage-Woche in der Bergbauindustrie verantwortlich.

Blick in die Zukunft

Bergbau und Metallbranche stehen in Deutschland vor einer komplexen Zukunft mit einer Vielzahl an Herausforderungen:

  • Klimawandel und damit das Gebot zum Einsparen von Energie und CO2-Emissionen
  • eine steigende Digitalisierung und damit die Ablösung vieler Arbeitsplätze
  • Chinas beständig steigende Bedeutung für die gesamte Metallherstellung

Für die Montan-Gewerkschaften kommt dies zu einer Zeit, in der Gewerkschaften ohnehin einen schlechten Stand haben. Von den 9,7 Millionen Arbeitnehmern, die noch im Jahr 2000 im „Deutschen Gewerkschaftsbund“ (DGB) organisiert waren, blieben 2021 nur noch 5,9 Millionen übrig. Aktuell sind lediglich 17 Prozent aller deutschen Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert; bei den jüngeren Alterskohorten ist der Anteil noch geringer.

Die Gründe dafür sind unterschiedlich – und teilweise hausgemacht. So ist es der Gewerkschaftsarbeit zu verdanken, dass Arbeitnehmerrechte heute in weiten Teilen der Politik und Wirtschaft einen enormen Stellenwert haben; ohne Notwendigkeit, diese buchstäblich erkämpfen zu müssen. Weiter stellt das Internet ein universell zugängliches Medium dar, um Missstände aufzudecken, anzuprangern und auf diesem Weg Druck zu erzeugen.

Daraus jedoch zu schließen, Gewerkschaften hätten sich durch ihre eigene Tätigkeit selbst überflüssig gemacht, dürfte ein Trugschluss sein. Denn die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt: Derartige Rechte müssen immer wieder erkämpft werden, sonst werden sie mit der Zeit nach und nach abgebaut.

Hierfür lohnt der Blick in die USA. Dort waren Arbeiterbewegungen früher sehr mächtig. Heute hingegen geht der Trend dort wieder zu „hire and fire“ und zu enormer Ungleichbehandlung selbst innerhalb eines Betriebs.

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