Merkmale der wichtigsten Stähle und Legierungen für Messer

Die Herstellung von Klingenstahl für Messer ist eine Wissenschaft für sich. Denn die Auswahl verschiedener Messerstähle ist inzwischen groß, was genauso für die jeweiligen Eigenschaften und besonderen Merkmale gilt. Durch die Zugabe unterschiedlicher Legierungselemente lassen sich die Charakteristik des Stahls bis ins Detail an die gewünschten Ansprüche anpassen.

Anforderungen: Was zeichnet Stahl für Schneidwerkzeuge aus?

Stahl gehört zu den wichtigsten und vielseitigsten Werkstoffen überhaupt und kommt in diversen Industriezweigen zum Einsatz: vom Maschinenbau über das Bauwesen bis hin zum medizinischen Bereich. Er kann mit unterschiedlichen Verfahren verarbeitet werden (Gießen, Walzen, Schmieden, Drehen und Fräsen sowie Schweißen und Löten und in seinen mechanischen und technologischen Eigenschaften an verschiedenste Anforderungen angepasst werden.

Aus diesem Grund wird bei der Herstellung von Stahl für Schneidwerkzeuge eine Vielzahl von Legierungselementen genutzt, um die gewünschten Eigenschaften für den jeweiligen Einsatzbereich des Messers zu erhalten. Denn zwischen einem chirurgischen Skalpell und einem klappbaren Taschenmesser können die Anforderungen durchaus variieren.

Über einige Eigenschaften muss Messerstahl aber grundsätzlich verfügen:

  • Schnitthaltigkeit oder Schneidhaltigkeit beschreibt die Widerstandsfähigkeit von Messerschneiden oder anderen Schneidwerkzeugen gegen die Abnutzung durch mechanische, thermische und/oder chemische Einflüsse. Die Schnitthaltigkeit ist von verschiedenen Faktoren abhängig, etwa von der Geometrie der Schneide oder der Handhabung des Messers. Die Wahl eines geeigneten Stahls verbessert die Schnitthaltigkeit jedoch und kann damit die Abnutzung der Klinge verlangsamen.
  • Schneidfähigkeit ist die Bezeichnung dafür, wie gut eine Klinge bei Gebrauch schneidet. Auch wenn die Begriffe nah beieinander liegen, sind Schneidfähigkeit und Schneidhaltigkeit keineswegs identisch.
  • Korrosionsbeständigkeit spielt bei Messern und Schneidwerkzeugen eine Rolle, die etwa im Geschirrspüler gereinigt oder Feuchtigkeit ausgesetzt werden. Eine Verbesserung der Beständigkeit gegen Korrosion ist durch Zulegierungen möglich, das geht allerdings zu Lasten der Zähigkeit.
  • Zähigkeit oder Festigkeit meint die Widerstandsfähigkeit gegen Bruch oder Rissausbreitung bzw. gegen Verformung durch mechanische Einwirkung. In Bezug auf Messer geht es um die Frage, wie gut die Klingen mechanische Energie aufnehmen können, ohne zu brechen. Je zäher der Messerstahl, desto weniger anfällig ist er für ein Brechen bei der Nutzung.
  • Härte ist ein maßgeblicher Faktor für die Schärfe einer Klinge: Je härter der Stahl, desto länger bleibt ein Schneidwerkzeug scharf. Mit größerer Härte steigt allerdings auch das Risiko, dass die Schneide bricht. Bei Messerstählen wird die Härte in aller Regel mit Rockwellhärte C angegeben.

Exkurs: HRC – Härte nach Rockwell

Die Härte von technischen Werkstoffen wird international häufig in Rockwell angegeben, wozu das Kürzel HRC verwendet wird. Es steht für „Hardness Rockwell“ (Härte nach Rockwell), womit das Prüfverfahren bezeichnet wird. Der nachfolgende Buchstabe „C“ gibt die Härteskala an, die wiederum für bestimmte Prüfkräfte und -körper steht.

Für eine Prüfung der Härteskala C kommt ein Diamantkegel zum Einsatz, der mit einem Spitzwinkel von 120° und einer Kraft von 1.372,931 Newton auf den Werkstoff angelegt wird. Die Rockwellhärte lässt sich anhand der Eindringtiefe nach der Formel HRC = 100 – (t/0,002 mm) bestimmen.

Die Härte des Stahls wirkt sich auf die Schnitthaltigkeit von Messern aus. Gängige Härten sind:

  • 53 bis 57 HRC für normale Gebrauchsmesser für Küche und Haushalt
  • 58 bis 59 HRC für schnitthaltige und leicht zu schärfende Klingen von mittlerer Qualität
  • 60 bis 63 HRC bedeutet eine gehobenere Qualität und damit eine harte Schneide und lange Schnitthaltigkeit
  • 64 bis 67 HRC erreichen meist Klingen aus pulvermetallurigschen Stählen, die extrem schnitthaltig sind

Verschiedene Stahlsorten für Messer und Schneidwerkzeuge

Für die Herstellung von Messern und Schneidwerkzeugen kommen je nach Einsatzzweck und speziellen Anforderungen verschiedene Stahlsorten zum Einsatz. Sie unterscheiden sich unter anderem durch die Zusammensetzung der verwendeten Legierungen.

Kohlenstoffstahl

Bei Kohlenstoffstahl (oder auch Carbonstahl) handelt es sich um einen nicht rostfreien Stahl, der vor allem mit hoher Schnitthaltigkeit und guter Schärfbarkeit überzeugt. Vor allem für Küchenmesser oder Rasiermesser wird dieser Stahl deshalb gerne verwendet.

Der Kohlenstoffanteil beträgt 0,2 bis 1,7 Prozent, andere Legierungselemente kommen gar nicht oder nur in sehr geringen Mengen vor. Deshalb ist Kohlenstoffstahl nicht rostfrei. Beim Härten bildet er ein sehr feinkörniges Martensitgefüge aus, wodurch er eine hohe Schärfe erhält.

Liegt der Kohlenstoffgehalt bei 0,8 Prozent oder mehr, sind im Martensitgefüge Zementitanteile verteilt, die sich positiv auf die Schnitthaltigkeit auswirken. Sie sorgen außerdem dafür, dass Schneidenausbrüche relativ selten auftreten. Hoch gehärteter Kohlenstoffstahl mit einem HRC-Wert von über 60 sind allerdings vergleichsweise spröde.

Mehrlagenstahl

Wie die Bezeichnung schon verdeutlicht, bestehen Mehrlagenstähle aus mehreren Schichten. Der vermutlich bekannteste Stahltyp, der aus mehreren Lagen besteht, ist der Damaszener- oder Damaststahl. Anhand der charakteristischen Musterung ist er leicht zu erkennen. Es gibt allerdings noch andere Varianten von Mehrlagenstahl.

  • Bei Damast oder Damaszener Stahl handelt es sich um ein Produkt, dessen Tradition bis ins Mittelalter zurückreicht. Durch die Verbindung von Ausgangsstählen mit verschiedenen Eigenschaften sollten ursprünglich Schwerter und ähnliche Waffen so bruchfest wie weicher Stahl und so scharf wie harter Stahl gemacht werden.

Die Ausgangsmaterialien werden üblicherweise im Schweißverbundverfahren miteinander feuerverschweißt. Eine Damast-Klinge kann dabei aus bis zu mehreren hundert Lagen bestehen.

  • Klingen aus Lagenstahl oder Laminatstahl bestehen in der Regel aus zwei oder drei Schichten. Wie beim Damaststahl soll die Verbindung aus härtbarem Stahl (für die Schneidlage) und nicht härtbarem Stahl (für die elastischeren Randschichten) die Bruchgefahr reduzieren. Gleichzeitig wird die Schärfbarkeit verbessert.

Die verschiedenen Schichten werden ebenfalls feuerverschweißt und lassen sich durch ihren unterschiedlichen Reflexionsgrad gut unterscheiden: Die härtere Schneidschicht wirkt heller, die weicheren Randschichten hingegen matter. Genau wie beim Damaszener Stahl kann der Effekt durch Anätzen verstärkt werden.

Monostahl

Anders als Mehrlagenstahl-Klingen bestehen Messer und Schneidwerkzeuge aus Monostahl lediglich aus einer Lage Stahl. Hierfür kommen sowohl Kohlenstoffstahl als auch Edelstahl in Frage, die über jeweils eigene Vor- und Nachteile verfügen:

  • Kohlenstoffstahl (auch Karbonstahl) weist einen Kohlenstoffgehalt zwischen 0,7 und 1,5 Prozent auf, hat nur wenige Einschlüsse fremder Stoffe und ist sehr hart. Dadurch bricht er allerdings leichter. Zudem ist Kohlenstoffstahl nicht rostfrei.
  • Edelstahl ist durch den Zusatz von Chrom, Molybdän, Vanadium und anderen Metallen rostfrei und verfügt über eine höhere Bruchfestigkeit. Er ist im Vergleich mit Kohlenstoffstahl jedoch weniger hart. Innerhalb der EU legt das Europäische Komitee für Normung (CEN) die zulässigen Höchstwerte für die Legierung von Edelstahl fest.

Pulvermetallurgischer Stahl

Pulvermetallurgischer Stahl unterscheidet sich in erster Linie durch das Herstellungsverfahren von anderen Stahltypen. Am weitesten verbreitet ist die Zerstäubung, bei der der Stahl zunächst geschmolzen und anschließend in einem feinen Sprühnebel verteilt wird. Auf die gleiche Weise wird mit den Legierungselementen verfahren.

Durch den Einsatz von Hochdruckgas oder Wasserstrahlen wird die Stahlschmelze in winzige Pulverpartikel mit einer Korngröße von weniger als 0,6 mm aufgebrochen. Das Pulver wird unter hohem Druck zu Grünlingen verdichtet und kann anschließend durch Sintern, Schmieden, Walzen etc. weiterverarbeitet werden.

Viele pulvermetallurgischer Stähle entsprechen in ihrer Legierung einem Monostahl. Die Art der Herstellung sorgt für eine homogene, seigerungs- und fehlerfreie Struktur, die dem Stahl hohe Zähigkeit, Verschleißfestigkeit und Härte.

Legierungselemente und ihre Wirkung auf Messerstahl

Legierungselemente verbessern die Eigenschaften von Messerstahl, allerdings nur bis zu einem gewissen Anteil. Hinzu kommt, dass zwischen den verschiedenen Legierungselementen Wechselwirkungen bestehen, die bei falschen Anteilen nicht zu den gewünschten Eigenschaften führen.

Element positive Eigenschaften negative Eigenschaften
Kohlenstoff erhöht die Härte und Zugfestigkeit,
verbessert Verschleißfestigkeit und Abrieb
ein zu hoher Anteil an Kohlenstoff führt zu höherer Sprödigkeit und geringerer Bruchfestigkeit
Chrom macht Stahl öl- bzw. lufthärtbar,
erhöht Härte und Zugfestigkeit,
verbessert Widerstand gegen Verschleiß und erhöht die Korrosionsbeständigkeit (ab einem Chromanteil von 13 Prozent wird Stahl rostträge)
reduziert die Zähigkeit
Vanadium bindet Stickstoff und sorgt für eine feinkörnige Struktur im Stahl,
erhöht Festigkeit, Verschleißfestigkeit und Zähigkeit
Kobalt erhöht Festigkeit und Härte,
erlaubt Abschrecken bei höheren Temperaturen,
verstärkt die individuellen Merkmale anderer Legierungselemente
Mangan erhöht Härte, Härtbarkeit, Verschleißfestigkeit und Zugfestigkeit bei einem Anteil von über 4 Prozent bilden sich selbst bei langsamer Abkühlung spröde martensitische Gefüge
Wolfram erhöht Festigkeit, Zähigkeit und Zugfestigkeit,
verbessert Härtbarkeit
Molybdän erhöht Härtbarkeit und Zugfestigkeit,
verbessert Bearbeitbarkeit, Lochfraßbeständigkeit und Korrosionsbeständigkeit
reduziert Dehnbarkeit
Kupfer erhöht Korrosionsbeständigkeit,
Kupferanteil sollte in Messerstählen möglichst gering sein
reduziert Härte, Verschleißfestigkeit und Zugfestigkeit
Nickel erhöht Zähigkeit,
verbessert Korrosionsbeständigkeit
reduziert Härtbarkeit und Härte
Niob-Tantal Verbessert Festigkeit, Zähigkeit und Korrosionsbeständigkeit
Stickstoff verbessert Korrosionsbeständigkeit (in geringen Mengen) schon kleine Anteile reduzieren Zähigkeit

Stahlschädlinge in Legierungen

Während bei einigen Legierungselementen der Anteil darüber entscheidet, ob sie sich positiv oder negativ auf die Eigenschaften des Messerstahls auswirken, sind die Effekte bei anderen ausschließlich negativ. Solche Elemente gelten als Stahlschädlinge. Zu dieser Gruppe gehören Phosphor und Schwefel:

  • Phosphor erhöht die Sprödigkeit stark, weshalb sein Anteil möglichst bei weniger als 0,04 Prozent liegen sollte.
  • Ähnliches gilt für Schwefel, der Anteil sollte hier ebenfalls bei weniger als 0,04 Prozent liegen. Ansonsten verringert sich die Zähigkeit des Messerstahls stark.

Exkurs: Hochlegierter Messerstahl

Bei hochlegiertem Stahl ist der Anteil an der Masse von mindestens einem Legierungselement höher als 5 Prozent. Eine solche Legierung wird verwendet, um verschiedene Eigenschaften des Messerstahls erheblich zu verbessern.

So ist zum Beispiel rostfreier (oder genauer: rostträger) Stahl eine hochlegierte Stahlsorte, bei der der Chrom-Anteil bei über 10,5 Prozent liegt. Je nach zugegebenem Legierungselement lassen sich verschiedene Eigenschaften des Stahls beeinflussen und damit auf spezielle Aufgabenbereiche abstimmen.

Hochlegierter Stahl mit hohem Wolfram- oder Vanadium-Anteil etwa verfügt über eine sehr große Härte und Haltbarkeit. Er wird deshalb als Werkzeugstahl häufig für Schneid- und Bohrgeräte verwendet, weil er eine scharfe Kante behält. Chirurgische Instrumente, die korrosionsbeständig und fest sein müssen, bestehen oft aus hochlegiertem Stahl.

Gemäß DIN EN 10027-1 wird hochlegierter Stahl gesondert mit einem X gekennzeichnet, um ihn von anderen legierten Stahlsorten unterscheiden zu können. Nach dem X gibt der EN-Kurzname die chemische Zusammensetzung des Stahls an, worin auch der Anteil des zugegebenen Legierungselements enthalten ist.

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