Vom Metallbarren bis zum filigranen Essbesteck

Es kommt jeden Tag auf den Tisch, geht jeden Tag durch unsere Hände und ist ein fester Bestandteil unserer Esskultur. Es ist für den täglichen Gebrauch ebenso wichtig wie für besondere Anlässe: Tafelbesteck ist gleichzeitig Alltagsgegenstand sowie Ausdruck von individuellem Geschmack und gehört zu unserer Tischkultur. Für seine Herstellung muss das Tafelbesteck zunächst einen mehrstufigen Fertigungsprozess durchlaufen.

Tafelbesteck: Der lange Weg zum einheitlichen Besteckset

Mehrteilige Bestecksets für mehrere Personen sind heutzutage ein fester Bestandteil in nahezu jedem Haushalt. Esslöffel, Gabel, Messer und kleine Löffel gehören zur Grundausstattung, auch wenn sie als vollständiges Set sicher nicht zu jeder Mahlzeit eingedeckt werden.

Tatsächlich ist es in unserem Kulturkreis ohnehin erst seit dem 19. Jahrhundert üblich, Tafelbesteck in seiner heutigen Zusammensetzung und Gestaltung zu verwenden. Einheitliche Designs waren bis dahin noch nicht allgemein verbreitet, genauso wenig wie das gleichzeitige Benutzen von Messer und Gabel. Dass es heute gängige Praxis ist, das Besteck neben den Tellern bereitzulegen, entstand als Folge der Industrialisierung: Vor der Massenproduktion waren Besteckteile häufig persönliche Gegenstände, die man mit sich trug.

Von Holz bis Edelstahl: Materialien für die Besteckherstellung

Eine weitere Folge der Massenfertigung war und ist die Nutzung anderer Materialien für die Herstellung. Im Laufe der Geschichte wurden die unterschiedlichsten Materialien für Bestecke genutzt, von Holz bis Perlmutt. Für viele Jahrhunderte galt Silber aufgrund seiner antibakteriellen Eigenschaften und seiner Säureresistenz als bester Rohstoff für die Besteckherstellung.

Da schwefelhaltige Lebensmittel das Silber jedoch anlaufen lassen und sich das Edelmetall nicht sonderlich scharf schleifen lässt, wurden besondere Besteckteile (z. B. Fischbesteck oder Eierlöffel) und Messerklingen aus anderen Materialien gefertigt.

Für (Küchen-)Messer werden je nach Einsatzbereich ganz unterschiedliche Legierungen verwendet. So kann jeweils das beste Material für die besonderen Anforderungen an die Schneide eingesetzt werden.

Seit den 1920er Jahren greifen die Hersteller für Tafelbesteck meist auf Edelstahl zurück. Aus dem ehemals günstigen Ersatz für das edlere Silberbesteck ist inzwischen eine weitverbreitete Lösung geworden. Nachfolgend erläutern wir deshalb den Herstellungsprozess für Tafelbesteck aus Edelstahl.

Exkurs: Edelstahl für Besteck

Edelstahl gilt als pflegeleicht und robust, weshalb er gerne für die Herstellung von Tafelbesteck verwendet wird. Allerdings gibt es unterschiedliche Legierungen, die von den Herstellern genutzt werden:

  • Edelstahl 18/10 hat einen Anteil von 18 Prozent Chrom und 10 Prozent Nickel. Während das Chrom gegen Rostbildung und Korrosion hilft, macht das Nickel das Messer widerstandsfähiger gegen Umwelteinflüsse. Es verleiht dem Edelstahl außerdem mehr Härte und sorgt für spiegelnden Glanz.
  • Edelstahl 18/0 enthält nur Chrom, aber kein Nickel. Dadurch ist der Edelstahl etwas weicher und weniger glänzend. Für Menschen mit einer Nickel-Allergie ist der Edelstahl 18/0 jedoch eine optimale Alternative.
  • Edelstahl 13/0 weist einen Chrom-Anteil von 13 Prozent und kein Nickel auf. Dieser Stahl kann besonders gut gehärtet und geschärft werden. Deshalb bestehen die Klingen von Tafelmessern häufig aus dieser Edelstahl-Legierung: Sie sind lange scharf und ermöglichen langfristig ein müheloses Schneiden.

Besteckherstellung: Die Vorbereitungen

Zur Herstellung von Tafelbesteck braucht es eine Reihe von Arbeitsvorgängen, von denen manche für die gewünschte Qualität des Endprodukts wiederholt werden müssen. Der Aufwand hängt nicht zuletzt davon ab, ob der verwendete Stahl in Form von Barren oder bereits als Blech bzw. Spule weiterverarbeitet wird. Bei Stahlbarren ist es vor dem ersten Zuschnitt erforderlich, das Ausgangsmaterial zu walzen.

Selbst bei bereits gewalzten Edelstahlblechen variiert die Stärke jedoch. Daher sind gegebenenfalls nachträgliche Walzprozesse notwendig, um die passende Materialstärke für das jeweilige Besteckteil zu erreichen.

Zuschnitt

Die für Besteck verwendeten Edelstahlbleche kommen als Tafeln zu den Herstellern. Mit Hilfe einer sogenannten Tafelschere werden sie einem ersten Arbeitsgang zugeschnitten. Die Tafelschere besteht aus einem festen und einem beweglichen Messer, die Schnittlänge kann bei bis zu zwei Metern liegen. Diese Schere schafft es, Bleche mit einer Stärke von mehreren Millimetern zu schneiden.

Der Zuschnitt orientiert sich an der Größe der jeweiligen Besteckteile. Die Streifen werden dann so zugeschnitten, dass möglichst wenig Material verloren geht.

Brandelschnitt/Stanzen

Mit einer Exzenterpresse werden aus den Edelstahlstreifen die sogenannten „Brandeln“ gestanzt. Dabei handelt es sich um Besteckrohlinge, die mit einer Druckleistung von rund 65 Tonnen pro Quadratzentimeter ausgestanzt werden.

Der Schnitt ist für verschiedene Besteckteile gleich. An den Brandeln lässt sich also noch nicht erkennen, ob daraus am Ende ein Gabel oder ein Löffel entsteht. Die Presse muss für jedes Besteckteil präzise eingestellt werden, daher braucht es zum Umstellen immer eine gewisse „Rüstzeit“ (Einrichtungszeit).

Exkurs: Exzenterpressen

Exzenterpressen sind mechanisch angetriebene, weggebundene Pressmaschinen. Sie werden für Schneid-Stanz-Arbeiten und Präge-Biege-Arbeiten mit kleinen Presswegen eingesetzt.

Unterschieden werden dabei Einständer-, Zweiständer- und Doppelständerpressen bzw. Pressen mit festem Hubweg und Pressen, deren Hubweg durch zwei zueinander verstellbare Exzenter eingestellt werden kann.

Betrieben werden solche Pressen mit einem elektromechanischen Antrieb. Dieser treibt das Schwungrad an, das mit einem einkoppelbaren Exzenter verbunden ist.

Vorschleifen

Die Exzenterpresse hinterlässt an den Brandeln einen Grat, der nach dem Stanzen durch einen Vorschliff entfernt werden muss. Ansonsten kann es zu Beschädigungen an Werkzeugen oder zu Ungenauigkeiten an einzelnen Besteckteilen kommen. Der feine Staub, der durch das Vorschleifen verursacht wird, muss anschließend von der Oberfläche entfernt werden.

Stempeln

Sollen die Besteckteile Herstellerlogos, Materialinformationen oder andere Hinweise tragen, werden diese mit einer weiteren Exzenterpresse bei einem Druck von 8 Tonnen pro Quadratzentimeter in die Rückseite der Rohlinge geprägt.

Besteckherstellung: Die Weiterverarbeitung

Nach den vorbereitenden Arbeitsgängen erhalten die Rohlinge mit jedem weiteren Schritt mehr ihre finale Form.

Walzen

Die Oberteile von Löffeln und Gabeln werden mit einer Walze auf die gewünschte Stärke gewalzt. Dazu sind je nach endgültiger Materialdicke mehrere Walzgänge pro Brandel notwendig. Löffel werden in der Regel etwas dünner gewalzt als Gabeln. Das Walzen verleiht den Besteckteilen eine ausgewogene Stärke. Es trägt außerdem dazu bei, dass die Oberteile später beim Essen angenehm für den Mund sind.

Umschneiden

Die fertig gewalzten Rohlinge erhalten in einer Exzenterpresse ihre Endkontur. Die Zinken- bzw. Laffenseite der Brandel wird dabei umschnitten. Wie beim Stanzen der Rohlinge muss danach ein Vorschliff vorgenommen werden, um Grate zu entfernen.

Zinken

Bei der Weiterverarbeitung der Gabelrohlinge werden nach dem Umschneiden die Zinken ausgestanzt. Der hierzu eingesetzt Druck liegt zwischen 25 und 30 Tonnen pro Quadratzentimeter. Um zu vermeiden, dass sich der Edelstahl verdreht, werden die Zinken in zwei Arbeitsgängen gestanzt:

  • Bei einer Gabel mit vier Zinken werden zuerst die Mittelzinken und danach die äußeren Zinken ausgestanzt.
  • Bei einer Gabel mit fünf Zinken werden jeweils zwei Zinken gleichzeitig ausgestanzt.

Prägen

Die endgültige dreidimensionale Form erhalten die Brandel in einer Kniehebelpresse. Weil diese mit einem Druck von 600 bis 800 Tonnen pro Quadratzentimeter operiert, müssen die Rohlinge vollkommen sauber sein.

Selbst kleinste Verunreinigungen durch Staub verursachen auf der Edelstahloberfläche wegen der hohen Druckleistung deutliche Spuren. Eine gründliche Reinigung jedes Rohlings ist daher unerlässlich vor dem Prägen.

Kantenschleifen

Nach dem Prägen folgt das Schleifen der Kanten der Besteckoberteile. Nach einem ersten Schliff mit einer groben Körnung (z. B. 120er), folgt ein zweiter Schliff mit einer feinen Körnung (z. B. 320er) und Schleifpaste. Vor allem die Zinkenzwischenräume der Gabeln sind dabei aufwändig zu schleifen. Bei den Besteckstielen ist es wiederum oft möglich, mehrere Besteckteile gleichzeitig in einem sogenannten „Paketschliff“ zu schleifen.

Besteckherstellung: Die abschließenden Arbeitsprozesse

Nachdem die Besteckteile ihre finale Form erhalten haben und die Kanten geschliffen wurden, folgen die abschließenden Arbeitsgänge. Diese sorgen dafür, dass Löffel, Gabeln und Messer ihr hochwertiges Erscheinungsbild erhalten.

Schleifen mit der Sisalscheibe

In Kombination mit einer Schleifpaste lassen sich mit der Sisalscheibe Verunreinigungen von der Ober- und Unterseite der Besteckteile entfernen. Außerdem entsteht bei diesem Arbeitsschritt ein leichter Glanz.

Mattieren

Mattierte Besteckteile müssen mit einer Fibrebürste und Schleifpaste bearbeitet werden, um ihr besonderes Finish zu erhalten. Mattierbürsten bestehen häufig aus Pflanzenfasern. Die hier verwendete Schleifpaste verfügt über eine weiche und fettige Konsistenz. Sie verleiht dem Besteck einen leicht seidigen Glanz.

Polieren

Um Besteck mit Hochglanz zu erhalten, werden die Besteckteile mit einer Bürste aus weichen Baumwolllappen und einer sehr feinen Schleif- bzw. Polierpaste behandelt. Bei dieser Arbeit tragen die Schleifer Stoffhandschuhe, um die polierte Oberfläche nicht zu verkratzen.

Einsetzen

Tafelmesser können auf zwei unterschiedliche Arten hergestellt werden:

  • Bei Monoblockmessern bestehen Klinge und Griff aus einem Stück und sind entsprechend aus demselben Material gefertigt.
  • Hohlheftmesser hingegen bestehen aus Klinge und Griff, die separat gefertigt werden und aus unterschiedlichen Materialien bestehen. Das hat den Vorteil, dass für die Klinge Materialien verwendet werden können, die widerstandsfähiger sind oder sich schärfer schleifen lassen. Ihren Namen verdanken sie dem hohlen Heft, also dem hohlen Griff, in den die Klinge eingesetzt wird.

Das Einsetzen der Klingen wird auch als „Reiden“ bezeichnet. Darunter versteht man das Verbinden von Klinge und Griff mit Nieten. Dazu wird das Endstück der Klinge mit den Löchern für die Nieten in den Griff eingepasst. Die Bohrlöcher beider Elemente müssen dabei präzise übereinander liegen. Mit Hohl- und Stiftnieten wird anschließend die Verbindung hergestellt.

Bei Tafelmessern kommt diese Technik jedoch kaum zum Einsatz. Hier werden Klinge und Griff in der Regel miteinander verschweißt.

Messerschleifen/Ausmachen

Nach dem Einsetzen erhalten die Übergänge von Griff und Klinge noch eine Überarbeitung in der Schleiferei. Dieser Vorgang wird als „Ausmachen“ bezeichnet. Sind die Übergänge fertig, wird der Griff geschliffen.

Beim abschließenden „Scotchen“ bekommt die Klingenoberfläche ihren finalen Schliff. Dieser dient dazu, Kratzer und Riefen zu entfernen, ohne das Material abzutragen. Auf diese Weise bleibt zudem die Schneidqualität erhalten.

Besteckherstellung: Vorbereitungen für den Verkauf

Wenn alle Fertigungsprozesse abgeschlossen sind, werden die geschliffenen, mattierten oder polierten Besteckteile für den Verkauf vorbereitet. Dazu gehört eine Ultraschallreinigung, die verbliebene schmierige Rückstände der Schleifpasten beseitigt. Besonders hochwertige Besteckteile werden anschließend noch einmal von Hand gereinigt. Dabei erfolgt zugleich eine Qualitätsprüfung, bevor das fertige Tafelbesteck verpackt und gelagert wird.

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