Vom Eisenerz über das Roheisen bis zum Rohstahl und darüber hinaus

1,95 Milliarden Tonnen – so viel Rohstahl wurde allein im Verlauf des Jahres 2021 weltweit erzeugt. Selbst für ausgesprochene Experten ist dies eine ob ihrer Dimensionen völlig abstrakte Zahl. Sie wird auch nicht besser greifbar, wenn sie in eine mögliche Relation gesetzt wird: Aus dieser gigantischen Stahlmenge ließen sich beispielsweise etwa 19.700 Flugzeugträger herstellen. Selbst die Golden Gate Bridge könnte ganze 2.423-mal mit dieser Masse errichtet werden – alles mit der Rohstahlproduktion eines einzigen Jahres.

Diese Daten zeigen, welch große Bedeutung der Werkstoff Stahl für die Welt hat. Die Verwendung reicht vom dünnen Kronenkorken auf einer Limonadenflasche über wesentliche Teile fast sämtlicher Fahrzeuge bis zur Armierung in praktisch allem, was aus Beton errichtet wird. Stahl ist seit der Industrialisierung buchstäblich das Fundament unserer modernen Gesellschaften. Entsprechend groß dimensioniert fallen die Herstellungsverfahren aus.

Übrigens: Unser Artikel über Edelstahl bietet weitere Hintergrundinformationen über Eisen und Stahl.

Stahl: Ein Meisterstück der Technikgeschichte

Eisenerz zählt als vierthäufigstes Element in der Erdkruste. Die Weiterverarbeitung zu Rohstahl besteht aus einer Abfolge mehrerer Prozesse:

Eisenerz ⇒ Sauerstoffreduktion ⇒ Roheisen ⇒ Fremdbestandteiloxidation ⇒ Rohstahl

Etwa zweitausend Jahre vor Christus begann das kleinasiatische Volk der Hethiter damit, Eisenerz in simpelsten Rennöfen zu verhütten. In diesem Veredelungsprozess werden dem Eisenerz als Ausgangsmaterial einerseits alle unerwünschten chemischen Bestandteile entzogen und andererseits gewünschte Bestandteile hinzugefügt. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten gelingt dies ungleich präziser und widerholgenauer.

Insbesondere im 19. Jahrhundert, auf dem Höhepunkt der Industrialisierung, entstanden dazu verschiedene Verfahren. Sie alle erwiesen sich aber im Verlauf der Zeit aus verschiedenen Gründen als nicht zukunftstauglich – insbesondere, was die Wirtschaftlichkeit anbelangte.

Abgesehen von der Herstellung neuer Rohstähle aus recyceltem Altmaterial in riesigen Starkstromöfen hat sich seit etwa den 1950er Jahren ein einziges Verfahren durchgesetzt: Das Linz-Donawitz-Verfahren (LD). Bis zu diesem Punkt hat die Entwicklung der Rohstahlerzeugung jedoch einen weiten Weg zurückgelegt. Die Anfänge liegen im brasilianischen Urwald, im australischen Outback, in der südafrikanischen Savanne und in einigen anderen Ländern, die über besonders reiche Vorkommen an Eisenerz verfügen.

Eisenerz als Ausgangsmaterial

Stahl ist ein Beispiel, das die technische Entwicklung über die Jahrhunderte und Jahrtausende auf besondere Weise widerspiegelt. Es lässt sich daran die Fähigkeit nachvollziehen, die Rohstoffe der Erdkruste

  • zu lokalisieren,
  • von Fremdgestein zu unterscheiden,
  • abzubauen und
  • durch technische Verfahren zu reinigen.

 

Über all die Jahrtausende bildete und bildet dabei Eisenerz die mit Abstand wichtigste Grundlage zur Stahlherstellung. Das Material besteht aus einer Mischung aus natürlichen Eisenverbindungen, die in Mineralen eingebettet sind. Typischerweise sind dies

  • Eisenoxide, also eine Verbindung aus Eisen und Sauerstoff und
  • Eisencarbonate, eine Verbindung aus Eisen und Kohlensäure.

Zwar gibt es noch weitere Eisenverbindungen in der Erdkruste, für die Stahlherstellung sind diese beiden – mit einem Fokus auf Eisenoxide – jedoch die bedeutsamsten Vertreter. Der Anteil an Eisen in eisenhaltigem Gestein beträgt maximal 72 Prozent. Bei den Eisenoxiden sind die wichtigsten Typen:

  • Limonit / Brauneisenstein (2Fe2O3 ⋅ 3H2O)
  • Hämatit / Roteisenstein (Fe2O3)
  • Magnetit / Magneteisenstein (Fe3O4)
  • Siderit / Spateisenstein (FeCO3)

Diese Verbindungen finden sich meist in den oberen Schichten der Erdkruste und können somit typischerweise im Tagebau gewonnen werden. Hierbei werden durch Sprengungen große Brocken herausgebrochen und vor Ort in mehreren Schritten immer weiter zerkleinert. Dabei findet zudem bereits eine Aussortierung von Mineralien mit keinem oder zu geringem Eisengehalt statt – das sogenannte taube Gestein oder Gangart.

Eisen als chemisches Element

Kürzel Fe
Ordnungszahl 26
Elementkategorie Übergangsmetalle
Atommasse 55,845 u
Dichte 7,874 g/cm³
Schmelzpunkt 1808 K / 1535°C
Masseanteil Erdhülle 4,7%

Im finalen Schritt wird das Eisenerz fein zermahlen und anschließend mit Bentonit und Wasser vermengt. Über weitere Zuschlagstoffe kann bereits eine Steuerung des späteren Roheisens erzielt werden. Diese Masse wird in großen Trommeln zu Eisenerz-Pellets (Æ ca. 8-18 mm) gerollt. Anschließend erfolgt eine Härtung in speziellen Öfen.
Das Ergebnis sind poröse, feste Kugeln. Ihr Vorteil: Sie verbinden ein exaktes Volumen mit einem ebensolchen Gewicht und Eisengehalt – die wichtigste Voraussetzung für eine wiederholgenaue Produktion. Zudem sind die Pellets besonders einfach lager- und transportfähig, da sie sich hervorragend schütten lassen. Ferner sorgt ihre Porosität für einen guten Kontakt mit durchströmenden Gasen.

Koks als notwendiger Brennstoff

Eine Herausforderung im nächsten Schritt ist jedoch die Bindung des Eisens an Sauerstoff (beziehungsweise Kohlensäure). Um überhaupt Roheisen herstellen zu können, muss diese Verbindung aufgebrochen werden. Dazu ist es nötig, das Erz mit Kohlenstoff in Kontakt zu bringen. Dieser entzieht dem Oxid den Sauerstoff, wird zu Kohlenstoffoxid und hinterlässt somit reines Eisen.

Diese Notwendigkeit zählte vor der Industrialisierung zu den größten Schwierigkeiten. Denn für die Hitzeerzeugung (und somit zunächst) unabsichtlich für die Reduktion) wurde über Jahrtausende Holzkohle verwendet. Sie eignet sich besonders gut, da sie praktisch aus reinem Kohlenstoff besteht. So werden dem Eisen keine unerwünschten Stoffe beigemengt.

Lange galt die Holzkohle mit ihrem guten Heizwert als wichtigstes Heizmittel – auch für die Industrie. Gleichzeitig ist sie mit verschiedenen Stoffen verunreinigt (v. a. Schwefel) und kann deshalb nicht für die Eisen- oder Stahlherstellung herangezogen werden.

Anfang des 18. Jahrhunderts stand die Stahlerzeugung vor einer gigantischen Herausforderung. Sie wäre aufgrund des hohen Energiebedarfs vor dem Aus gestanden, hätte der englische Eisenfabrikant Abraham Darby I nicht eine zuvor nur beim Mälzen verwendete Technik adaptiert: Dabei wird Steinkohle unter Luftabschluss auf über 1.000°C erhitzt. So ergibt sich ein ähnlicher Umwandlungsprozess wie bei der Holzverkohlung. Alle unerwünschten Bestandteile entweichen, es verbleibt ebenfalls Kohlenstoff – in Form von Koks.

Der Brennstoff liefert in den folgenden Prozessen einerseits die nötige Hitze, andererseits ist sie bis heute das wichtigste Reduktionsmedium – und deshalb auch ein Anlass für Kritik an der Stahlherstellung: Die Verwendung von Koks ist der Hauptgrund, warum die Herstellung so enorme CO2-Mengen emittiert.

Wasserstoff statt Koks?

Aktuell laufen unter anderem in Deutschland mehrere Testprogramme. Sie substituieren Koks durch Wasserstoff als Reduktionsmedium. In diesem Fall verbinden sich die Wasserstoffmoleküle mit dem Sauerstoff im Eisenerz, wodurch H2O, also Wasser, entsteht. Diese sogenannte Direktreduktion soll die Stahlerzeugung nachhaltiger machen, da so die notwendige Hitze auf andere Weise bereitgestellt werden könnte.

Möller und Hochofen

Mit den Pellets als Roh- und dem Koks als Brennstoff kann im nächsten Schritt Roheisen erzeugt werden.

  • Pellets,
  • Koks und
  • Zuschlagstoffe

werden dazu vermengt. Letztere sorgen beispielsweise als Schlackebildner für die Ausprägung einer Schlacke, in der unerwünschte feste Bestandteile des Eisenerzes gebunden werden.

Diese Stoffe, der sogenannte Möller, werden in einem speziellen Bandofen zunächst gesintert, damit eine gleichmäßige Charge für den Hochofen entsteht. Sie werden anschließend nochmals zerkleinert und gesiebt.

Im Anschluss wird die Mischung in einen Hochofen gegeben und gezündet. Durch das Einblasen von extrem heißer Luft entsteht eine Masse, die auf bis zu 2.000°C erhitzt wird.

  • Das Eisen wird dabei weit über seinen Schmelzpunkt gebracht und zusammen mit anderen enthaltenen Metallen und Mineralien (primär Mangan, Phosphor, Schwefel und Silizium) verflüssigt.
  • Gleichzeitig reagiert der Sauerstoff mit dem Kohlenstoff und wird zu Kohlendioxid und -monoxid.
  • Das Eisen sinkt allmählich auf den Grund des Hochofens, während die anderen Bestandteile sich zur Schlacke vermischen, die obenauf schwimmt.

Es entsteht flüssiges Roheisen – ein zwar nicht wirklich reines, aber dennoch „hinreichend sauberes“ Zwischenprodukt, das noch rund vier Prozent Kohlenstoff enthält.
Dieses Roheisen wird „abgestochen“: Dazu läuft das flüssige Material aus dem Hochofen ab. Durch diesen Arbeitsschritt stehen nun zwei mögliche Verwendungen offen:

  1. Es wird als Gusseisen genutzt, also flüssig direkt in Formen eines Endprodukts gegossen.
  2. Es wird für die Stahlerzeugung weitertransportiert.

Vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden viele Teile aus Gusseisen hergestellt. Die Zusammensetzung der Schmelze sorgt für eine gute Gießbarkeit, weshalb sich sehr komplexe und filigrane Formen damit herstellen lassen. Zudem bildet sich beim Erkalten eine Gusshaut auf der Oberfläche, die das Material gut vor Sauerstoffkontakt und somit weiterer Korrosion und Rost schützt.

Dieses Eisen ist allerdings durch den sehr hohen Kohlenstoffgehalt spröde und kann nicht geschmiedet werden. Außerdem ist es recht hart, was in Verbindung mit der Sprödigkeit bei Überlastung zu raschem Bruch führt. Stahl hingegen lässt sich viel länger elastisch und plastisch verformen, bevor er ebenfalls bricht.

Der Weg der Schlacke

Die moderne Eisen- und Stahlherstellung zeichnet sich durch einen sehr hohen Weiter- und Wiederverwendungsgrad aus. Dazu wird die Schlacke wird abgekühlt und granuliert.

Als Hüttensand stellt sie einen wichtigen Ausgangsstoff für die Zementherstellung dar. Derartige Zementprodukte sind sehr resistent gegen sauren Regen, Luftschadstoffe und nicht zuletzt Salz – etwa in Meeresnähe.

Auf dem Weg zum Rohstahl

Ist das Roheisen einmal abgekühlt, muss es für die Weiterverarbeitung in andere Formen und Legierungen immer wieder neu erhitzt werden. Aus diesem Grund gibt es häufig eine nahe räumliche Verbindung von Hochofen und Stahlwerk. So lässt sich das Roheisen direkt energieeffizient weiterverarbeiten.

Das flüssige Roheisen wird dazu in spezielle Eisenbahnwaggons abgelassen. Diese sogenannten Pfannenwagen oder, bei länglicher Formgebung, Torpedopfannenwagen (siehe Bild) bestehen aus einem großen Stahlbehälter, der mit Hochofen-Schamottesteinen ausgekleidet ist. Darin kann die Hitze nötigenfalls 24 Stunden und länger gehalten und das Material dabei weitertransportiert werden. Das heute hauptsächlich praktizierten Linz-Donawitz-Verfahren gliedert sich in folgende Schritte:

  • Der Hochofen ist ein sogenannter LD-Konverter. Er ist mit Materialien ausgekleidet, die für eine basische Umgebung sorgen. Die größten Konverter können fast 400 Tonnen aufnehmen.
  • Das flüssige Roheisen wird dort zusammen mit maximal 20 Prozent Schrott oder Eisenschwamm (ein durch andere Verfahren als den Hochofen reduziertes Eisenerz) zur Kühlung sowie Kalk oder Dolomit zur erneuten Schlackenbildung eingefüllt.
  • Nachdem alles im Hochofen aufgeschmolzen ist (eine Sache weniger Minuten), wird von oben eine wassergekühlte Lanze direkt in die Schmelze geschoben. Sie fügt enorme Mengen reinen Sauerstoffs bei (das sogenannte Frischen). Von unten strömt gleichzeitig das reaktionsträge Edelgas Argon ein. Es funktioniert quasi als gasförmiger „Rührstab“, der die Schmelze durchmischt.

Der Sauerstoff sorgt für eine heftige Verbrennungsreaktion, welche die Schmelze weit über ihre Ausgangstemperatur erhitzt. Der überflüssige Kohlenstoff im Eisen oxidiert und reagiert zu Kohlendioxid. Die mineralischen und metallenen unerwünschten Bestandteile schwimmen erneut auf und werden zur Schlacke – ein nun rotglühender, brodelnder Schaum auf der Oberfläche im Konverter.

Am Ende des Prozesses wird der LD-Konverter ebenfalls abgestochen und das flüssige Material läuft aus – als vollwertiger Rohstahl. Er stellte früher das fertige Endprodukt dar und wurde in Strangpressanlagen in simple geometrische Formen gebracht.

Jenseits des Rohstahls

Rohstahl ist ein wichtiges Ausgangsmaterial – mehr allerdings heute nicht. Dafür ist seine Qualität inzwischen für viele Anwendungen zu gering. Das Material ist oft wenig homogen – insbesondere, wenn für das Erzeugen des Rohstahls mehrerer LD-Durchgänge benötigt werden, um eine größere Menge des Endprodukts mit gleichbleibenden Eigenschaften herzustellen.

Als finaler Schritt steht deshalb bei der modernen Stahlproduktion die sogenannte Sekundärmetallurgie auf dem Plan. Sie umfasst alle Schritte, die den Rohstahl veredeln:

  • Das abschließende Entfernen unerwünschter verbliebener Bestandteile – hierbei wird beispielsweise durch die Abtrennung von Phosphor und Schwefel unter 0,025 Prozent Anteil die Grenze zum Edelstahl überschritten;
  • das Homogenisieren der Schmelze, um maximale Gleichartigkeit zu garantieren;
  • das Justieren des exakten Kohlenstoffanteils und
  • die Hinzugabe von Legierungselementen.

Durch diese vier Methoden, die in verschiedenen Öfen und Entgasungsanlagen vorgenommen werden, entsteht aus dem simplen Rohstahl ein fein einstellbares Qualitätsprodukt. Gut genug für einfache Armierungseisen – aber auch so hochwertig verarbeitbar, dass sich feinste Klingen oder chirurgische Instrumente daraus fertigen lassen.

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Quellen:

Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH – Wie entsteht Stahl?
https://www.hkm.de/stahl/verfahren

Worldsteel – About Steel
https://worldsteel.org/about-steel/about-steel/