Klimaschutzinstrument für außerhalb der EU gefertigte Waren

Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung und der CO2-Gehalt der Atmosphäre macht an Staatsgrenzen keinen Halt. Gleichzeitig ist jedoch die Wirtschaft umfassend globalisiert und es gibt nach wie vor rund 200 Einzelstaaten. In der Folge können Produkte, die in Ländern mit laxeren Regeln gefertigt werden, beim Import die Bestrebungen anderer Nationen unterlaufen.

In der EU gilt seit Mai 2023 deshalb der Carbon Border Adjustment MechanismCBAM. Das Gesetz soll mit dem integrierten Mechanismus die Import-Problematik an der Wurzel packen. Unter anderem sind davon Aluminium, Eisen und Stahl betroffen. Dadurch wird das Gesetz für die hiesige Metallbranche besonders wichtig.

CO2-Emissionen bei Aluminium und Stahl

Zunächst ist es nötig, einen Blick auf die betroffenen Metalle bzw. daraus bestehende Produkte zu werfen. Warum genau sind Aluminium und Eisen/Stahl so bedeutend, dass sie zwei der acht im Gesetz umfassten Materialgruppen ausmachen? Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. Es handelt sich um die mengenmäßig bei Weitem bedeutendsten Metalle unserer Wirtschaft Über 90 Prozent aller weltweit genutzten Metalle (von denen es 95 verschiedene gibt) entfallen allein auf Eisen, respektive seinen zumindest um Kohlenstoff angereicherten Werkstoff Stahl. Von den verbliebenen 10 Prozent macht Aluminium wiederum den größten Teil aus.
  2. Die Gewinnung und Verarbeitung beider Metalle ist mit einem extrem hohen Energieaufwand Dies betrifft sowohl die Herstellung der Primärmetalle aus Erzen als auch das Recycling zu Sekundärmetallen und die Weiterverarbeitung zu Endprodukten.
  3. Bei beiden Metallen kommt es zudem durch die derzeit verwendeten Herstellungsprozesse zwangsläufig zu großen Kohlenstoffdioxid (CO2)-Emissionen. Beim Eisen geschieht dies durch den Reduktionsprozess mit Kohlenmonoxid – nur so lässt sich der Sauerstoff aus dem Eisenoxid entfernen*. Bei Aluminium hängt es mit der Umwandlung vom Ausgangsstoff Bauxit in einem Elektrolyseprozess zusammen. Selbst wenn dabei „grüner“ Strom genutzt wird, setzt die Herstellung von einer Tonne Rohaluminium etwa anderthalb Tonnen CO2

Derzeit werden wasserstoffbasierende Reduktionsmethoden intensiv in der Praxis erprobt. Wird dabei nachhaltig hergestellter Strom zur Wasserstoffherstellung verwendet, kann die Eisen- und Stahlproduktion weitgehend CO2-neutral werden.

Des Weiteren muss die heutige globale Verteilung der Herstellung betrachtet werden. Sowohl bei Aluminium als auch Eisen und Stahl liegen fast alle wichtigen Herstellernationen außerhalb der EU. Da der Staatenbund jedoch von dort große Mengen dieser Metalle und daraus hergestellte Produkte bezieht, ist es nötig, diesen klimatischen Fußabdruck einzubeziehen.

Weltweite Aluminium-Produktion 2022 – Top 5 + Deutschland
China 40 Mio. t.
Indien 4 Mio. t.
Russland 3,7 Mio. t.
Kanada 3 Mio. t.
V. Arabische Emirate 2,7 Mio. t.
Deutschland 0,4 Mio. t.
Weltweite Rohstahl-Produktion 2022 – Top 5 + Deutschland
China 1.001 Mio. t.
Indien 125,3 Mio. t.
Japan 89,2 Mio. t.
USA 80,5 Mio. t.
Russland 71,5 Mio. t.
Deutschland 36,8 Mio. t.

Europas bisherige Klimaschutzbestrebungen und ihre Lücken

CO2 ist nicht das einzige Gas, das in der Atmosphäre Treibhauseffekte verursacht. Daneben sind Methan (CH4), Distickstoffmonoxid / Lachgas (N2O) sowie eine ganze Reihe sogenannte Fluorierende Treibhausgase ebenfalls beteiligt. Anteilsmäßig ist CO2 allerdings das bei Weitem größte Problem. Daher fokussieren sich die meisten globalen Bestrebungen auf Kohlenstoffdioxid.

Unter anderem in der EU existiert deshalb eine sogenannte CO2-Bepreisung. Die Verursacher von entsprechenden Emissionen müssen dafür eine finanzielle Entschädigung zahlen. Dafür werden zwei wesentliche Modelle genutzt:

  1. Emissionsrechte:
    Hierbei wird eine Höchstmenge an CO2-Emissionen festgelegt, die in Form von käuflich erwerbbaren Zertifikaten aufgestückelt wird – ganz ähnlich wie bei Aktien. Wer CO2 emittiert, muss eine entsprechende Menge von Zertifikaten erwerben. Das ist in Form des European Union Emissions Trading System (EU-ETS) der generelle Modus Operandi in der gesamten EU.
  2. Steuern:
    Es werden auf verschiedene Arten zusätzliche Steuern auf ein Produkt oder einen Energieträger erhoben – üblicherweise je nachdem, wie viel CO2 hierbei emittiert wird. Dieses System wird zusätzlich in einigen EU-Staaten angewendet.

Beide Systeme sollen also den CO2-Ausstoß an einen Preis koppeln. Im Umkehrschluss sollen sich dadurch weniger emissionsintensive Produkte, Herstellungsmethoden etc. preislich besser rentieren, was wiederum Anreize zur generellen Reduktion setzen soll.

Das Problem: Die Menge der europäischen Emissionsrechte wird immer weiter verringert. Emissionen werden dadurch teurer – was es wiederum attraktiver macht, die Produktion in Länder mit weniger restriktiven Vorgaben outzusourcen. Gleichsam wird dadurch der Wettbewerb verzerrt.

Speziell bei Aluminium und Stahl war das durch die globale Fertigungsverteilung schon von Anbeginn problematisch. Nicht besser wurde es, weil die EU bislang grenzüberschreitend operierenden Unternehmen kostenlose Zertifikate ausstellte, wodurch wiederum die Bereitschaft zur CO2-Reduktion unterlaufen wurde.

Das Grenzausgleichssystem wurde geschaffen, um diese Schieflage zu korrigieren. Einfach gesprochen: Es soll das „Outsourcing von Emissionen“ in Länder außerhalb der EU verhindern und sicherstellen, dass von außerhalb importierte Produkte ähnlich strengen Kriterien unterliegen wie hiesige Produkte. Gleichzeitig kann dadurch auf das Klimaverhalten, wenigstens von Unternehmen, außerhalb der Reichweite der EU-Gesetzgebung Einfluss genommen werden.

Da die EU einer der für den weltweiten Handel bedeutendsten Exporteure und Importeure ist, hat sie ein enormes Gewicht. Hersteller in anderen Ländern können es sich schlicht nicht leisten, auf die EU als Handelspartner zu verzichten – also müssen sie beim CBAM mitwirken, wenn sie nicht den Verlust dieser Beziehung mit allen wirtschaftlichen Nachteilen in Kauf nehmen wollen.

Exkurs: So wirken Treibhausgase

Das Erdklima wird dadurch beeinflusst, wie viel kurzwellige Sonneneinstrahlung die Atmosphäre nach unten passiert und wie viel langwellige Wärmestrahlung nach oben entweichen kann.

Treibhausgase zeichnen sich durch eine „einseitige“ Transparenz aus: Sie lassen kurzwellige Strahlung deutlich besser passieren. In einer unbeeinflussten Atmosphäre sorgt dies für ausgeglichene Temperaturen. Je mehr Treibhausgase sich anteilig in der Atmosphäre befinden, desto größer wird jedoch der „dämmende“ Effekt.

Auf der Erde steigen also die Temperaturen, wodurch sich das Klima verändert – und zwar rascher, als sich ein Ausgleich durch die mit steigender Erwärmung ebenfalls ansteigende Wärmeabstrahlung in den Weltraum einstellt.

CBAM: Europas Klimaschutz-Hebel

Die Nachteile des EU-Emissionshandels wurden bereits seit längerer Zeit diskutiert und kritisiert. Doch erst 2021 wurde ein Grenzausgleichssystem als eine von verschiedenen Lösungsoptionen auf die Tagesordnung gebracht. Kern ist das in diesem Jahr auf den Weg gebrachte Programm Fit for 55.

Das Ziel: Im Jahr 2030 soll der EU-weite Treibhausgasausstoß (mindestens) 55 Prozent weniger betragen als 1990. Zudem soll die EU bis 2050 klimaneutral aufgestellt sein – also nicht mehr Treibhausgase emittieren, als durch andere Maßnahmen kompensiert wird.

Konkret gilt CBAM für Waren, die in die EU eingeführt werden. Dabei liegt der Fokus auf allem, was mengenmäßig die Schwelle der Geringwertigkeit überschreitet. Dadurch betrifft CBAM beispielsweise keine Güter, die aus der EU stammende Urlauber aus dem Ausland nachhause bringen. Es ist eindeutig ein Instrument zum Handling des gewerblichen Warenverkehrs.

Derzeit beschränkt sich CBAM auf eine kurze Liste von Waren und Treibhausgase – die vollständige Liste inklusive Warennummer bzw. Zolltarifnummer hält die EU vorrätig:

  • Aluminium sowie Waren daraus
  • Ammoniak
  • diverse Düngemittel
  • Eisen und Stahl sowie Waren daraus
  • Eisenerz
  • Elektrizität
  • Kaliumnitrat
  • Wasserstoff
  • Zement

sowie die Treibhausgase

  • Kohlenstoffdioxid
  • perfluorierte Kohlenwasserstoffe (bei Aluminium)
  • Distickstoffoxid (bei Düngemitteln)

Wasserstoff befand sich ursprünglich nicht auf der Liste, wurde jedoch im Oktober 2023 noch aufgenommen.

Das System gilt grundsätzlich für alle Staaten, die nicht zur Europäischen Union gehören. Ausnahmen sind jedoch möglich, wenn ein Land alternativ direkt oder durch ein verknüpftes eigenes System am bisherigen EU-Emissionshandel teilnimmt. In der Praxis sind das aktuell lediglich die Schweiz sowie die drei Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) – Island, Liechtenstein und Norwegen.

Ferner bleiben Reimporte unbetroffen – also in der EU gefertigte Waren, die nach einem Export wieder importiert werden.

So funktioniert das Grenzausgleichssystem

Emissionen, die durch die Produktion und weitere Prozesse vor der eigentlichen Verwendung einer Ware entstehen, werden fachsprachlich als Grau-Emissionen bezeichnet. Sie unterteilen sich weiter in die folgenden:

  • Indirekte Emissionen: Sie fallen durch die bei der Förderung/Fertigung verwendeten Energien an, insbesondere den Elektrizitätsverbrauch.
  • Direkte Emissionen: Sie entstehen bei der Förderung/Fertigung selbst. Etwa das bei der Eisenreduktion freigesetzte CO2.

Der Wesenskern von CBAM ist es, hier an der Basis anzusetzen – speziell, weil der Betrieb oder die Benutzung vieler in die EU importieren Waren anderen Emissionsschwellen unterliegen. Sie werden also im Rahmen anderer Ausgleichsmechanismen berücksichtigt.

Anders gesprochen: CBAM erfasst nur die Emissionen, die anfallen, bevor eine Ware die Grenzen der EU überquert. Dazu werden verschiedene Berechnungsschlüssel eingesetzt. Sie orientieren sich

  • an der Art einer Ware,
  • ihrem Komplexitätsgrad und
  • ob bei der Herstellung Vormaterialien / Vorprodukte genutzt wurden, die ebenfalls Grauemissionen verursachten.

Somit gibt es sowohl Warengruppen, bei denen beide Emissionsarten berücksichtig werden als auch solche, bei denen nur die Direktemissionen in die Berechnung einfließen. Jeder Warengruppe wird eine bestimmte Emissionsmenge zur Seite gestellt. Entsprechend dieser ist es nötig, CBAM-Zertifikate zu erwerben. Zur einfacheren Berechnung gilt dabei:

1 CBAM-Zertifikat 1 Tonne Treibhausgas

Dabei wird ebenso einbezogen, ob schon im Herstellungsland eine Treibhausgasbesteuerung zu begleichen war. Das ist weltweit in etwa zwei Dutzend Staaten der Fall – wobei davon 19 in der EU liegen. Verantwortlicher ist derjenige, der eine der gelisteten Waren in die EU einführt. Er muss sich in einem landeseigenen CBAM-Register namentlich eintragen.

Typischerweise (es gibt Ausnahmen) sind die Zertifikate im selben Jahr wie der Import zu erwerben. Im selben Quartal müssen sogar mindestens 80 Prozent der nötigen Zertifikate vorhanden sein. Die Rückverfolgung verlangt, am Jahresende alle importierten Waren und deren Grau-Emissionen zu übermitteln und anschließend die entsprechenden Zertifikatsmengen zu bezahlen.

Der Einführungszeitraum für CBAM

Die entsprechende EU-Verordnung trat im Mai 2023 in Kraft. Allerdings ist sie zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels (Ende 2023) noch längst nicht in Gänze umgesetzt. Folgendermaßen sieht der Zeitplan aus:

  • Oktober 2023: CBAM ist als Mechanismus eingeführt und muss beachtet werden. Es ist jedoch nur nötig, die jeweiligen Grau-Emissionen zu registrieren und zu melden.
  • Januar 2026: Ab diesem Datum müssen die CBAM-Zertifikate für erste Warengruppen aktiv erworben werden. Zudem will die EU-Kommission bis zu diesem Zeitpunkt prüfen, ob noch weitere Warengruppen in die Liste aufgenommen werden.
  • Januar 2034: Zu diesem Datum sollen die CBAM-Zertifikatspflichten vollständig umgesetzt worden sein. Gleichzeitig endet dann das in den vergangenen acht Jahren durchgeführte Zurückfahren kostenloser EU-ETS-Zertifikate.

Derzeit haben Unternehmen also noch etwas Zeit, um sich mit dem System vertraut zu machen, bis alle Vorgaben gelten und einzuhalten sind.

Wird CBAM eine realistische Wirkung entfalten?

Was die Grau-Emissionen anbelangt, wird CBAM eine bislang bestehende Lücke schließen. Insofern ist realistisch, anzunehmen, dass davon eine definitiv spürbare Wirkung auf das Klima ausgeht.

Doch wie bei vielen anderen Gesetzen, so sind auch hier kritische Stimmen nicht weit. Dies sind einige der häufigsten vorgebrachten Einwürfe:

  • CBAM könnte mit anderen Regelungen der World Trade Organization (WTO) kollidieren. Das wäre dann der Fall, wenn aufgrund der CBAM-Zertifikate eine Importware stärker durch Abgaben belastet wäre als eine innerhalb der EU hergestellte Ware.
  • Es wird eingeworfen, dass es an einer tragfähigen Lösung fehle, um nicht nur Importe zu bepreisen, sondern im Gegenzug Exporte zu vergünstigen. Das ist vor allem vor dem Hintergrund der Beendigung der bislang kostenlosen EU-ETS-Zertifikate zu sehen. Kritiker befürchten, EU-Produkte würden damit am Weltmarkt benachteiligt.
  • Im ähnlichen Kontext wird kritisiert, EU-ansässige, exportorientierte Hersteller emissionsintensiver Waren könnten dadurch regelrecht gezwungen werden, die Produktion in Drittstaaten zu verlagern.
  • Nicht zuletzt ist ein Anstieg der Bürokratie ein Kritikpunkt, was sich am Ende auf Preise für Verbraucher auswirken könnte.

Insbesondere, was das WTO-Recht anbelangt, ist tatsächlich noch zu prüfen, inwieweit CBAM hiermit vereinbar ist. Doch aktuell sind noch zwei Jahre Zeit bis zum tatsächlichen Beginn des Zertifikatkaufs. Bis dahin können noch Anpassungen am derzeit geplanten System vorgenommen werden, was eine übliche Vorgehensweise darstellt. Nicht zuletzt die aktuell besonders unvorhersehbare Welt(markt)lage könnte ihren Teil dazu beitragen.

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