Ein Blick auf das Phänomen und die Schutzmaßnahmen
Radioaktivität aus verschiedenen natürlichen Quellen ist allgegenwärtig. Tritt sie jedoch in größerem Umfang auf oder kommen künstliche Strahlungsquellen hinzu, wird es gefährlich. Der Metallkreislauf nimmt hierbei eine besondere Rolle ein: Bereits mehrfach kam es durch illegale Entsorgungen zu unerkannten Beimischungen radioaktiven Materials beim Recycling.
Nicht nur Deutschland betreibt großen Aufwand, um diese Gefahr auf ein Minimum zu reduzieren. Denn es handelt es sich dabei um eine länderübergreifende Problematik, die durch den globalen Schrotthandel überhaupt erst entsteht.
Radioaktivität – unsichtbare Gefahr
Die Atomkerne verschiedener Elemente sind instabil. Deshalb wandeln sie sich ohne Einwirkung von außen in andere Atomkerne um. Bei dieser Umwandlung wird sogenannte ionisierende Strahlung freigesetzt. Dabei handelt es sich um elektromagnetische oder Teilchenstrahlung, die durch ihren Energiereichtum in der Lage ist, Elektronen aus anderen Atomen oder Molekülen zu entfernen.
Die radioaktive Strahlung kann aus zwei Quellen stammen:
- Natürliche Radioaktivität: Hierbei handelt es sich um Radionuklide, die in den Frühtagen der Erde entstanden sind oder die aufgrund kosmischer Strahlung in der Atmosphäre gebildet werden.
- Anthropogene Radioaktivität (durch Menschen verursacht): Solche Radionuklide entstammen verschiedener von Menschen initiierten Prozessen. In diesen Bereich fallen sowohl künstlich erzeugte Nuklide als auch natürliche, die durch Tätigkeiten (z. B. Bergbau) in größeren Mengen freigesetzt wurden.
Alle Formen von ionisierender Strahlung (Alpha-, Beta-, Gamma-, Röntgen- und Neutronenstrahlung) wirken durch den Energiereichtum der involvierten Atome bzw. chemischen Elemente. Indem diese Elektronen aus anderen Atomen herauslösen, können sie chemische Reaktionen verursachen, die wiederum Zell- und Erbgutschäden zur Folge haben.
Langfristig kann Strahlung (insbesondere geringerer Intensität) Krebs erzeugen. Der Einfluss stärkerer Strahlung führt durch die Schädigung großer Zellmengen zu sofortigen Reaktionen wie etwa Knochenmark- und Schleimhautschädigung bis hin zur Zerstörung von Organen. Solche Folgen sind zusammengefasst unter dem Begriff akute Strahlenkrankheit.
Die Strahlung ist zudem für Lebewesen nach derzeitigem Wissensstand nicht wahrnehmbar. Eine
- generelle Detektion von Strahlung und ihrer Intensität,
- die Kategorisierung nach Strahlungsart und
- die Kategorisierung nach dem vorhandenen Nuklid
kann nur durch technische Maßnahmen geschehen.
Exkurs: Alpha-, Beta- und Gammastrahlen
Diese drei bedeutenden Strahlungsarten unterscheiden sich insbesondere durch ihr Durchdringungspotenzial und in der Folge die davon ausgehenden Gefahren.
- Alphastrahlung kann bereits durch Papier und Pappe wirksam abgeschirmt werden und durchdringt die Haut nicht.
- Betastrahlung ist in der Lage bereits die oberen Hautschichten zu penetrieren und Strahlenverbrennungen zu verursachen. Beide Strahlungen werden besonders gefährlich, wenn es zu einer Aufnahme in den Körper kommt – etwa durch Einatmen belasteter Stäube.
- Ähnlich wie die verwandte Röntgenstrahlung weist Gammastrahlung eine erheblich größere Eindringtiefe auf. Sie ist deshalb in jeglicher Hinsicht problematischer und gefährlicher. Besonders kritisch ist die Neigung, durch Kontakt mit Materie oder Gewebe sogenannte Sekundärstrahlungen zu erzeugen, etwa Röntgenstrahlung.
So gelangen radioaktive Bestandteile in den Metallkreislauf
Die Herstellung neuer Metallwerkstoffe basiert zu einem erheblichen Teil auf dem Recycling von Altmetallen, respektive entsprechender Legierungsbestandteilen. Was zunächst einen Vorteil darstellt, der für die hohen Recycling-Raten hauptverantwortlich ist, ermöglicht ebenso die „Lücke“ durch die radioaktive Bestandteile in den Metallkreislauf gelangen können.
Folgende Arten von Schrott werden beim Metallrecycling verwendet:
- Eigenschrott bekannter Zusammensetzung, der direkt in den Metallwerken anfällt.
- Neuschrott aus der metallverarbeitenden Industrie. Seine Zusammensetzung ist je nach Quelle weniger transparent.
- Altschrott aus unterschiedlichsten Sammelstellen und Verwertungsbetrieben. Er ist in Sachen Radioaktivität die größte Gefahrenquelle.
Prinzipiell ist zudem zu unterscheiden zwischen Schrott, an dem strahlende Bestandteile anhaften und solchem, der selbst radioaktiv ist bzw. gemacht wurde (u. a. durch Neutronenbestrahlung).
Gelangen strahlende Schrottbestandteile in die Metallschmelze, werden sie darin unkontrolliert verteilt. Von den daraus hergestellten neuen Produkten kann dann eine mitunter immense Strahlengefahr ausgehen.
Das größte Risiko entsteht dabei durch illegale Entsorgungen sowie Nachlässigkeit bei der Handhabung. Unter anderem die deutsche Stahlindustrie hat durch eine umfassende Überwachung der Metallquellen Strukturen System geschaffen, um unerwünschte radioaktive Beimischungen wirksam zu unterbinden.
In der Vergangenheit zeigte sich jedoch bereits mehrfach, dass kontaminierte Metall- und Schrottprodukte insbesondere aus Staaten mit weniger restriktiver Überwachung stammen. So wurden 2009 an mehreren Standorten in Deutschland über 150 Tonnen von mit Kobalt 60 verunreinigten Stählen entdeckt. Als Quelle wurden indische Stahlwerke ausgemacht.
Das Auffinden der kontaminierten Materialien zeigt, wie engmaschig die Überwachung in deutschen Werken, Schrottplätzen, Häfen usw. aufgestellt ist. Ähnlich sieht es in vielen anderen Staaten aus. Es handelt sich daher heutzutage eher um ein Problem in aufstrebenden und geringer entwickelten Nationen. Wie einige Fälle zeigen, kommt es durch den globalen Schrotthandel immer wieder zu Herausforderungen, die lediglich durch die hiesige Kontrolle nicht zu größeren Problemen mit kontaminiertem Material führen.
Woher die radioaktiven Bestandteile stammen
Intransparenz ist eine der bedeutendsten Ursachen für derartige Metallverunreinigungen. Das gilt über die gesamte Kette zwischen Herstellung und Entsorgung radioaktiver Materialien. Im Normalfall gelangen solche gefährlichen Stoffe gar nicht erst in den regulären Metallkreislauf, weil sie korrekt und gesondert behandelt werden.
Radioaktive Strahlung ist in zahlreichen Bereichen von Industrie, Forschung und Medizin unverzichtbar bzw. unvermeidbar. So gibt es etwa in Deutschland laut Bundesamt für Strahlenschutz zirka 100.000 umschlossene radioaktive Strahlungsquellen.
Dabei handelt es sich beispielsweise um Prüfstrahler, die etwa zur Kalibrierung von Messgeräten genutzt werden. Des Weiteren finden sich radioaktive Substanzen in Strahlentherapie- oder Sterilisationsgeräten. Was die generellen Quellen von strahlenden Verunreinigungen anbelangt, lassen sich folgende Unterscheidungen machen:
- medizinisch-technische Strahlenquellen: Dabei handelt es sich fast ausschließlich um radioaktive Strahlungsquellen, die mit einer sicheren Hülle umschlossenen sind. Sie sind in sich radioaktiv und das meist sehr stark.
- Schrott aus kerntechnischen Anlagen: Diese Hinterlassenschaften stammen zum Beispiel aus stillgelegten Atomreaktoren.
- industrielle Abfälle: Sie kommen insbesondere im Bergbau sowie der Erdöl- und Erdgasindustrie vor. Hier werden häufig größere Mengen an natürlich strahlendem Material aus dem Untergrund herausgelöst und dies kann dabei beispielsweise Rohrleitungen kontaminieren.
- militärischer Schrott: Bei diesen Materialien treten sehr unterschiedliche Verunreinigungen auf. Beispielsweise Thorium-Magnesium-Legierungen aus der Triebwerkstechnik oder Spürgeräte.
Die große Schwierigkeit: Gelangt strahlendes Material unentdeckt in den Recycling-Kreislauf, können die Folgen sehr weitreichend sein. Denn nicht nur strahlen anschließend die Produkte der Schmelze, sondern es kann zu Belastungen für alle beteiligten Personen, Maschinen und sonstige Systeme kommen.
Einige bekannt gewordene Vorfälle
Ähnlich, wie verschiedene Strahlungsarten und -intensitäten existieren, gibt es im Metallkreislauf unterschiedliche Schweregrade bezüglich der Kontaminierung. Das Entdecken verstrahlter Stoffe auf einem Schrottplatz wäre zwar kritisch, aber durch eine sich anschließende Kette von korrekten Entsorgungsmaßnahmen ohne Restrisiken gut zu handhaben.
Weitreichende kritische Folgen entstehen hingegen dann, wenn strahlendes Material unerkannt eingeschmolzen wird – und dies ist in der Vergangenheit immer wieder passiert: In einer 2006 veröffentlichten Informationsschrift zu dem Thema listete die Vereinigung der Metall-Berufsgenossenschaften nicht weniger als 48 dieser Vorfälle“ zwischen den Jahren 1982 und 2000. Deutschland war dabei kein einziges Mal beteiligt, was für den Erfolg hiesiger Maßnahmen spricht.
- Ciudad Juárez (1983 & 1984)
Ende 1983 gelangte in Nord-Mexiko ein ausgemustertes medizinisches Strahlentherapiegerät in die Hände von Schrottsammlern. Dabei lässt sich nicht exakt nachvollziehen, ob das Gerät an die Sammler verkauft wurde oder über einen Diebstahl in deren Besitz geriet.
In Unkenntnis der Gefahr öffneten die Abfallsammler den Schutzbehälter des Geräts beim Zerlegen. Das sorgte dafür, dass mehrere Tausend kleine Kugeln aus Kobalt 60 (eine starke Gammastrahlungsquelle) auf dem Schrottplatz verteilt wurden. Zusammen mit anderen Altmetallen wurden die Kugeln in verschiedenen Betrieben eingeschmolzen und weiterverarbeitet, darunter zu Bewehrungsstahl, Elektromotoren und Möbelbauteilen.
Zu einer Aufdeckung kam es erst, als ein mit neuem Bewehrungsstahl beladener Lkw das US-amerikanische Los Alamos National Laboratory (insbesondere zuständig für Atomwaffenforschung) passierte und dort aus einiger Distanz Messgeräte aktivierte.
Mehrere Tausend Tonnen kontaminierter Produkte konnten in den Folgemonaten aufgespürt werden, ein Teil ließ sich jedoch nicht zurückverfolgen. Hunderte Gebäude und Zäune mussten entsorgt und mehrere Fabriken dekontaminiert werden.
- Taiwan (1982)
Bei diesem Vorfall wurde ebenfalls eine Kobalt-60-Quelle zunächst unbemerkt in Strahlschrott eingeschmolzen. Daraus wurde primär Bewehrungsstahl für den Hochbau hergestellt. Später wurde bekannt, dass der Stahl beim Bau von über 2.000 Wohneinheiten und Geschäfte Verwendung fand.
Der Vorfall blieb bis 1992 unbemerkt und die Aufdeckung ist einem Zufall zu verdanken: Ein in einer der Wohnungen lebender Mann hatte einen Geigerzähler nach Hause gebracht, um mehr über das beruflich genutzte Gerät zu lernen. Als es ungewöhnlich hohe Werte anzeigte, informierte er die Behörden.
- Los Barrios (1998)
In einem südspanischen Recycling-Werk versagten gleich mehrere Kontrollmechanismen. Dadurch konnte eine Cäsium-137-Quelle, ein Beta- und Gammastrahler, auf das Firmengelände und in die Schmelze gelangen. Es entstand eine strahlende Dampfwolke, auf die die Detektoren in den Abluftschornsteinen jedoch ebenfalls nicht reagierten.
Erst, als die Wolke in Frankreich, Italien, Schweiz, Deutschland und Österreich ankam, wurde der Vorfall aufgedeckt. Obwohl die Aktivität teilweise das Tausendfache der natürlichen Hintergrundstrahlung betrug, war sie – radiologisch betrachtet – vergleichsweise unbedenklich.
- Neu Delhi (2010)
In einem örtlichen Krankenhaus verstarb ein Mann, nachdem er aufgrund offensichtlicher akuter Strahlenkrankheit behandelt werden musste. Die anschließenden Ermittlungen deckten eine massive Verkettung von Fehlverhalten auf.
Sechs Professoren der Delhi Universität hatten einen Strahlungsgerät voller Kobalt 60, das sie zu Forschungszwecken genutzt hatten, als herkömmlichen Metallschrott entsorgt. In der Folge kamen der verstorbene Mann sowie mindestens sechs andere Personen mit der Gammastrahlung in Kontakt.
- Genua (2010)
Bei einer Routinekontrolle im Hafen von Genua schlugen die Messgeräte bei einem aus Saudi-Arabien stammenden Container Alarm. Den Papieren zufolge enthielt der Behälter 23 Tonnen Kupferschrott. Die Geräte zeigten jedoch eine enorme Gammastrahlung an – ausreichend, um in nur einer Stunde bereits akute Strahlenkrankheitssymptome auszulösen.
Ein Jahr lang hielten die Behörden den Container in Quarantäne, bevor er mit Robotern zerlegt wurde. Dabei fand man einen unterarmlangen, bleistiftdicken Stab aus Kobalt 60. Die Quelle konnte bis heute nicht ermittelt werden. Vermutungen legen die fälschliche Entsorgung eines Lebensmittel-Bestrahlers nahe.
Was unternehmen Metallbranche und Behörden?
Zwar vergeht kaum ein Jahr ohne Entdeckungen von Vorfällen – auch in Deutschland und anderen europäischen Staaten. Immer werden diese Strahlenquellen jedoch aufgespürt, bevor sie in den Metallkreislauf gelangen können.
Das liegt daran, dass die meisten
- Häfen (insb. Überseehäfen),
- relevanten logistischen Knotenpunkte,
- Müll- und Schrottsammelstellen sowie
- Betriebe des Metall-Recyclings
mit Strahlenmesseinrichtungen ausgestattet sind. Bei der Zulieferung müssen die Transporter dann etwa Portalmessgeräte im Bereich der Ein- und Ausfahrten passieren. Es ist also vielfach nicht möglich, dass Strahlenquellen unbemerkt auf das Gelände oder gar in einen Schmelzofen gelangen.
Ähnlich sieht es in den meisten anderen hochentwickelten Industrienationen aus. Daher ist die Häufigkeit gravierender Unfälle im Zusammenhang mit Metallschrott sehr gering. Ein Restrisiko besteht deshalb hauptsächlich dort, wo Produkte aus recycelten, belasteten Metallen aus anderen Staaten importiert werden können, aber dabei keine entsprechenden Messstationen oder Strahlungsdetektoren passieren – beispielsweise auf dem Landweg.
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